Zwischen Philanthropie und Profit. Die Branntweinexporte des Deutschen Reiches nach Westafrika am Beispiel Kameruns und Togos 1884-1914 im Spannungsfeld zwischen humanitär-religiöser Kritik und ökonomischem Nutzen.

AutorIn Name
Pascal
Zosso
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Stig
Förster
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2010/2011
Abstract
Schon bei der Inbesitznahme der deutschen Schutzgebiete in Togo und Kamerun 1884 wurden Stimmen laut, dies geschähe nur im Interesse der Branntweinindustrie Hamburgs. In Westafrika fand die angeschlagene deutsche Branntweinindustrie schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts einen neuen Absatzmarkt. Der Anteil der Spirituosen an der Gesamtausfuhr aus Hamburg mit Ziel Westafrika betrug bis zu 60 Prozent. Hamburg war der mit Abstand grösste Branntweinexporteur nach Westafrika, und der Schnapshandel stellte für die deutschen Händler bald das „Standbein des gesamten Hamburger Westafrikageschäfts“ dar. Zielgebiete des exportierten Alkohols waren einerseits die deutschen Kolonien Togo und Kamerun, andererseits wurde der weitaus grösste Teil der Exporte in die umliegenden Kolonien geliefert, die nicht unter deutscher Herrschaft standen. Dadurch gelangten die Alkoholexporte in die internationale Kritik und wurden erstmals auf der Berliner Westafrikakonferenz von 1884/85 debattiert. Dabei ging es nur vordergründig um die humanitäre Argumentation, die von den britischen Delegierten vertreten wurde. In Wahrheit ging es um wirtschaftliche Interessen in Afrika. Da keine Übereinstimmung erzielt werden konnte, wurden keine einschränkenden Massnahmen beschlossen. Neue Kritik am Branntweinhandel kam in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts von Seiten der deutschen Missionare in Kamerun und Togo. Aufgegriffen wurde diese Kritik auch in der deutschen Heimat, wo es bald zu heftigen Debatten sowohl in Zeitschriften als auch im Reichstag kam. Das erklärte Ziel der Handelsgegner war es, eine breite Diskussion mit Einbezug der deutschen Öffentlichkeit über den Branntweinhandel zu entfachen, um Druck auf die Abgeordneten auszuüben. Schliesslich gelang es 1889 den Handelsgegnern unter der Wortführung von Missionsinspektor Franz Michael Zahn und dem Abgeordneten Adolph Stoecker eine Mehrheit im Reichstag für sich zu gewinnen, mit der Forderung, dass die Branntweinthematik international angegangen werden müsste. Erneut thematisiert wurden die deutschen Branntweinexporte schliesslich an der Brüsseler Antisklavereikonferenz 1889/90. Unter britischer Führung wurden in Brüssel stark erhöhte Einfuhrzölle auf Branntwein in Afrika erhoben. Daneben führte die internationale Gemeinschaft auch eine Prohibitionszone zwischen dem 20. nördlichen und dem 22. südlichen Breitengrad ein, innerhalb welcher jeglicher Handel mit Alkohol verboten wurde, falls die indigene Bevölkerung dem Branntwein noch nicht verfallen war. Die Umsetzung dieser Massnahmen unterlag aber den einzelnen Nationen. In der Folge wurden zwar in den deutschen Territorien die internationalen Zollvorgaben umgesetzt und teilweise sogar übertroffen, eine konsumeinschränkende Wirkung wurde aber nicht erzielt. Die Branntweinexporte in die beiden deutschen Kolonien erreichten sogar erst nach der Brüsseler Konferenz die absoluten Höchstwerte. Dies hatte mehrere Gründe: Erstens waren die Zölle nicht hoch genug angesetzt, um die deutschen Exporteure empfindlich zu treffen. Zweitens fehlte der politische Wille zur Umsetzung der Massnahmen, da die Gouverneure in Togo und Kamerun stark abhängig von den durch die Schnapseinfuhr erwirtschafteten Zolleinnahmen waren. Drittens wurden zwar allmählich Massnahmen eingeführt wie etwa die Zollerhöhungen in Westafrika, gleichzeitig aber subventionierte Deutschland immer noch die Spirituosenexporte, was den Nutzen der Massnahmen teilweise wieder aufhob. Massgebend für eine effektive und langfristige Abkehr vom Branntweinhandel war letzten Endes die Schaffung von neuen Einnahmequellen in den beiden deutschen Kolonien, womit auch die Kolonialverwaltungen nicht mehr von den Einnahmen aus dem Branntweinhandel abhängig waren. Dies geschah erst 1907, respektive 1909, durch die Einführung der Kopfsteuer in den deutschen Schutzgebieten. Ebenfalls wurden auch weitere Importgüter wie Stahl, Lebensmittel und Kleider bedeutender. Ohne diese wirtschaftliche Basis wäre die grundsätzliche humanitäre Einsicht des Reichstages und der internationalen Gemeinschaft nicht umsetzbar gewesen. Der erfolgreiche deutsche Afrikahandel widerspiegelte die Aufholjagd der deutschen Industrie. Dieses Bewusstsein erklärt die heftige Reaktion der englischen Politik sowie der englischen Industrie und führte schliesslich dazu, dass die englische Regierung wiederholt gegen die deutschen Branntweininteressen vorging. Jedoch erst mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges wurde den Forderungen der Gegner des Spirituosenhandels vollkommen Rechnung getragen. Die Handelsrouten wurden zerstört und das deutsche Engagement in Westafrika endete.

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