Wissenschaft und Freundschaft – Alexander von Humboldt und Aimé Bonpland

AutorIn Name
Katharina
Bircher
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Joachim
Eibach
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2017/2018
Abstract
Mit welchem Erkenntnisinteresse auch immer man sich Alexander von Humboldt nähert, fast zwangsläufig wird man auf seine Amerikareise stossen, die als Fundament für sein labyrinthisch-facettenreiches, alle erdenklichen Wissensgebiete umfassendes Oeuvre betrachtet werden kann. In den allermeisten Schriften, die Humboldts exemplarische Forschungsreise in die Neue Welt thematisieren, wird allerdings der Person Aimé Bonpland, seinem ständigen Begleiter und Forschungspartner auf der fünfjährigen Expedition, nur marginale Beachtung geschenkt. Wenn überhaupt weitere Assoziationen mit Bonplands Namen verbunden werden, sind es vage Bilder einer unglücklichen Existenz in seiner Wahlheimat in Südamerika, die im Schatten der strahlenden Aura, dem Glanz und Ruhm der magischen Lichtgestalt Humboldt wie ein schattenloses Phantom im Dunkel der Bedeutungslosigkeit und Vergessenheit verschwindet. Der Name Aimé Bonpland scheint zudem untrennbar an denjenigen des weltberühmten preussischen Naturforschers gekoppelt, wird ohne diese Verknüpfung kaum gedacht und erst recht nicht als eine wissenschaftlich bedeutsame historische Figur ausserhalb des humboldtschen Wirkungskreises wahrgenommen. Die Masterarbeit rekonstruiert die kreuzenden Lebenslinien der beiden Protagonisten, um etwas Licht in die Geschichte einer sechzig Jahre umspannenden Forscherfreundschaft zu bringen, die bislang – insbesondere in den Schriften über Humboldt – kaum Beachtung gefunden hat. Der Fokus der Untersuchung liegt auf der Analyse ihrer lebenslang geführten Korrespondenz. Dieses Quellenkorpus umfasst insgesamt 55 erhaltene Briefe und wird durch weitere Egodokumente wie Tagebucheinträge oder Erwähnung des jeweils anderen in der Korrespondenz mit Dritten ergänzt. Für eine theoretische Anbindung an den geschichtswissenschaftlichen Forschungskontext wurde in einem ersten Schritt der zeitgenössische Freundschaftsbegriff anhand normativer Quellen und der Forschungsliteratur eruiert. In der Auseinandersetzung mit dem Freundschaftsdiskurs und den sozialen Praktiken der Epoche wird sodann beleuchtet, wie Freundschaft gedacht und gelebt wurde und welche psychologischen, ethischen und emotionalen Faktoren diese intime personale Beziehung bestimmten. Der theoretische Rahmen dehnt sich mit der Beschäftigung mit den für Freundschaft konstituierenden Schlüsselelementen „Gefühle“ und „Vertrauen“ auf Bereiche der Emotionsgeschichte aus. Da sich die Arbeit weitgehend auf die Quellengattung Korrespondenz stützt, bilden der Blick auf die zeitgenössische Briefkultur, der Grad an Vertraulichkeit des Umgangstons, Stil, Formulierungen, Semantik und emotionale Elemente weitere zentrale Untersuchungsgegenstände. Bezüglich des methodischen Vorgehens lag eine systematische, chronologische, in drei Zeitabschnitte gegliederte Rekonstruktion der Geschichte ihrer Freundschaft nahe. Angepasst an die Lebenszyklen der beiden Akteure umfasst die erste Zeitspanne ihre Amerikareise (1798 – 1804), der zweite Untersuchungszeitraum behandelt die Phase nach ihrer Rückkehr nach Europa bis zu Bonplands Emigration nach Südamerika (1804 – 1816). Die dritte Periode umspannt 42 Jahre der räumlichen Trennung (1816 – 1858), in welcher dem Brief als Substitut für persönliche Nähe eine besonders wichtige Rolle zuteilwurde. Das wesentlichste Ergebnis der Studie liegt in der Erkenntnis, dass die Forschung Bonplands Bedeutung im Leben seines unvergleichlich ruhmreicheren Freundes bislang übersehen oder zumindest unterschätzt hat. In den Briefen von Humboldt finden sich emphatische Beteuerungen seiner Zuneigung und Dankbarkeit und seines Verantwortungsgefühls gegenüber Bonpland. Seinen Worten liess er mit gezielten Interventionen, um im wissenschaftlichen Zirkel Europas die Erinnerung an Bonpland als seinen Forschungspartner wachzuhalten, und mit Engagements zugunsten seines Freundes in Zeiten der Not Taten folgen. Voraussetzung dafür, dass sich aus der anfänglichen Bekanntschaft eine lebenslange Freundschaft entwickeln konnte, war die Überwindung des sie Trennenden. Das sie Verbindende überwand Diskrepanzen in Herkunft, Bildung und Wesensart. Mit ihrer humanistischen Gesinnung und ihrem Glauben an die Wirkungsmacht der Wissenschaft waren beide Kinder der Aufklärung, hatten bestimmte Leitideen der Französischen Revolution verinnerlicht, teilten dieselbe Leidenschaft für die Naturwissenschaften und eine verwegene Abenteuerlust. Nicht zuletzt war die Extremsituation, während ihrer langen Reise auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen zu sein, Basis für eine lebenslang anhaltende Verbundenheit. Diese Phase der gelebten Egalität wirkte sich nivellierend auf die Hierarchie ihrer Beziehung aus, wenngleich das asymmetrische Machtgefüge als Fakt bestehen blieb und erst in ihren letzten Lebensjahren an Bedeutung verlor. Ihr solides Freundschaftsband überstand etliche Krisensituationen und eine lange Trennungsphase unbeschadet.

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