Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Joachim
Eibach
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2012/2013
Abstract
Die zentrale Fragestellung dieser Masterarbeit ist, wie die französische Julirevolution von 1830 in der Schweiz rezipiert wurde und wie das Ereignis das politische Denken in der vorbundes- staatlichen Schweiz geprägt hat. Konkret untersucht wird dies am Beispiel der schweizerischen Zeitungsmedien. Da die als ,Regeneration‘ in die Schweizer Geschichte eingegangene Serie von liberalen Umstürzen, welche 1830/31 insgesamt 11 Kantone erfasste, die Zeitungen (mehr oder weniger) von Zensur befreite und diese so zum wichtigsten Medium des die Schweiz fortan prägenden ‚politischen Glaubenskrieges‘ (Albert Tanner) wurden, bietet sich diese Quellengattung besonders an. Die erwähnte Fragestellung drängt sich deshalb auf, weil sich in der Schweiz – wie im restlichen Europa – seit der Französischen Revolution zwei einander feindselig gesinnte und je durch eine gemeinsame Weltanschauung ge- einte politische Lager gegenüberstanden: Liberale und Konservative. Nach dem Sieg des Konservativismus im Rahmen der Restauration kann die Julirevolution als erster ‚Etappensieg‘ des Liberalismus gesehen werden, auch wenn sich auf der Ebene des Konkreten in Frankreich wenig änderte. Die Begriffe respektive Kategorien Liberalismus und Konservatismus verweisen auf das methodologische Gerüst, das der Arbeit zugrunde liegt. Sie verlässt nämlich den Weg einer klassi- schen Rezeptionsstudie und versucht, die gewonnenen Erkenntnisse ideengeschichtlich zu kontextualisieren und dabei die Sprache selbst zum Forschungsobjekt zu machen. Hierzu greift sie auf das von der Cambridge School entwickelte Konzept der ‚politischen Sprachen‘ (John G.A. Pocock) zurück. Dieses interessiert sich für kollektive Denk- und Sprachmuster, versteht ‚Sprache‘ aber metaphorisch, und zwar als Regelwerk, das Eigenschaften wie Ton, Stil, Rhetorik und Schlüsselbegriffe, aber auch inhaltliche Leitmotive und typische Argumentationsmuster beinhaltet. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die aufgrund des oben geschilderten, das gesamte lange 19. Jahrhundert prägenden ‚Kampfes der Systeme‘ (Eric Hobsbawm) aufgestellte Arbeitshypothese, dass sich zwei deutlich unterscheidbare ‚politische Sprachen‘ würden ausfindig machen lassen, konnte bestätigt werden. Die Julirevolution, ihre Ursachen, Folgen und Akteure wurden von den Liberalen und Konservativen fundamental anders wahrgenommen und dargestellt. Die politischen bzw. staatsphilosophischen Reflexionen, welche die Vertreter dieser zwei Lager im Kontext der Ereignisse in Frankreich anstellten, unterscheiden sich ebenfalls grundsätzlich. Auch wenn dabei einige helvetische Besonderheiten auszumachen sind, so fügen sich die Resultate doch in die Forschungsergebnisse zur deutschen Ideengeschichte ein. Die beiden ‚politischen Sprachen‘ weisen auch auf sprachlich-stilistischer Ebene ihre Eigenheiten auf. So tendiert etwa die liberale ‚Sprache‘ zum Pathetischen und Polemischen, während die konservative sich eher durch Nüchternheit und Ironie auszeichnet. Die zwei ‚Sprachen‘ verfügen jedoch auch über bedeutende Gemeinsamkeiten. Auf inhaltlicher Ebene wären hier etwa die Ablehnung von Revolutionen als legitimes Mittel politischen Wandels, eine Abneigung gegenüber dem einfachen, ungebildeten ‚Volk‘ oder gemeinsame Feindbilder (so die Jakobiner oder Napoleon Bonaparte) zu nennen. Wesentliche sprachlich-stilistische Gemeinsamkeiten stellen der Rückgriff auf christliche Vorstellungen und biblische Verweise sowie der Einsatz derselben Kampfbegriffe (Freiheit, Vaterland, Nation, Verfassung) dar. Darin manifestiert sich die für die Sattelzeit konstatierte ‚Ideologisierbarkeit‘ und ‚Politisierung‘ (Reinhart Koselleck) wichtiger Begriffe, denn die Semantik dieser Schlagworte konnte sehr unterschiedlich sein.