Prekäre Liberalisierung. Sexuelle Arbeit von Frauen in Schweizer Städten (1950er bis 1980er Jahre)

AutorIn Name
Sarah
Baumann
Art der Arbeit
Dissertation
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Damir
Skenderovic
Institution
Seminar für Zeitgeschichte
Ort
Fribourg
Jahr
2023/2024
Abstract


Gegenstand dieser Dissertation ist die Geschichte der heterosexuell-weiblichen Prostitution in der Schweiz in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Phänomen Prostitution erfuhr in diesem Zeitraum einen grundlegenden Wandel von einer in den 1950er-Jahren sozial und rechtlich noch stark stigmatisierten Tätigkeit zu einer ab den 1970er-Jahren erstmals artikulierten Form von Arbeit. Diese Entwicklung war eingebettet in einen gesellschaftlichen Wandlungsprozess in Bezug auf Geschlechterbeziehungen, Ehe, Familie und Partnerschaft sowie in eine zunehmende Pluralisierung, Medialisierung und Kommerzialisierung von Sexualität. Vor dem Hintergrund dieser wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Transformationsprozesse wirkte Prostitution als ein verdichtetes Feld gesellschaftlicher Auseinandersetzungen, auf dem nicht nur der Kauf und Verkauf sexueller Dienstleistungen, sondern grundlegende Normen von Geschlecht, Sexualität und Arbeit (re)produziert, gebrochen und neu verhandelt wurden.

Erkenntnisleitend für dieses Projekt ist die Frage, wie die sozialen Kategorien Geschlecht, Sexualität und Arbeit Prostitution strukturierten und wie wiederum Regulierungen, Praktiken und Deutungen von Prostitution soziale Ordnungen von Geschlecht, Sexualität und Arbeit (re)produzierten. Diese Frage wird auf drei Untersuchungsebenen bezogen. Von Interesse sind erstens behördliche Praktiken zur Regulierung von Prostitution, zweitens Erfahrungen und Praktiken von in der Prostitution tätigen Menschen und drittens gesellschaftliche Deutungen von Prostitution und Prostituierten.

Die Arbeit stützt sich auf einen breiten Quellenkorpus bestehend aus mehrheitlich noch nicht erschlossenen Dokumenten. Neben in gedruckter Form vorliegenden Quellen wird ein umfassender Korpus archivalischer Quellen ausgewertet. Dieser beinhaltet Dokumente von Justiz-, Polizei- und Regierungsbehörden, Bestände von feministischen und Prostituiertenbewegungen sowie Bestände von Prostitutionsberatungsstellen. Für die Perspektive von in der Prostitution tätigen Menschen werden Befragungsprotokolle und Lebensläufe aus Polizeiund Gerichtsakten sowie Nachlässe, Privatarchive und autobiografische Publikationen von in der Prostitution tätigen Frauen untersucht.

Die Dissertation leistet erstens einen wichtigen Beitrag zur bislang noch kaum erforschten Geschichte der Prostitution in der Schweiz. Zweitens erweitert sie die auf das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert fokussierte schweizerische und internationale historische Prostitutionsforschung um eine auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts gerichtete Perspektive. Drittens verbindet die Dissertation die für die Prostitutionsforschung weitgehend etablierten Kategorien des Geschlechts und der Sexualität mit der Analysekategorie der Arbeit und leistet damit einen innovativen Beitrag zur Verknüpfung von Geschlechter-, Sexualitäts- und Arbeitsgeschichte.

Zugang zur Arbeit

Bibliothek

Akademische Arbeiten werden in der Bibliothek der jeweiligen Universität hinterlegt. Suchen Sie die Arbeit im übergreifenden Katalog der Schweizer Bibliotheken