Prospero Lambertini war als Papst Benedikt XIV. (1740–1758) sowohl geistliches Oberhaupt der katholischen Kirche als auch weltlicher Herrscher über die Territorien des Kirchenstaates. Auch nach der Wahl zum Papst nahm er zusätzlich bis 1754 das Amt als Erzbischof von Bologna wahr, in das er 1731 ernannt worden war. Zugleich stand er an der Spitze seines Familienverbands. Im Zentrum der Arbeit steht Lambertinis Korrespondenz mit dottore Filippo Maria Mazzi, der als Agent in Bologna für die Verwaltung der Güter des Hauses Lambertini und des Erzbischofs verantwortlich zeichnete. Das knapp 1400 Briefe umfassende Korpus dient der Untersuchung des ökonomischen Denkrahmens Lambertinis sowie der daraus folgenden Handlungslogiken und Praktiken zur Verwaltung des Kirchenstaats, des Erzbistums von Bologna sowie der Familie Lambertini. Aufgrund der Rollenverflechtung können zudem Benedikts XIV. Umgang mit Ambiguität sowie Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Verwaltungspraktiken betrachtet werden.
Der Begriff der Ökonomie wird anhand der Begriffsgeschichte verortet und im Sinne der altgriechischen oikonomia als Hausverwaltung definiert. Dies erlaubt eine differenzierte Betrachtung der unterschiedlichen Rollen und somit Ökonomien Lambertinis. Dazu wird im ersten Teil der Arbeit ein Blick auf die Traktatliteratur und die Reformen Prospero Lambertinis geworfen, um die Praktiken abseits der Korrespondenz mit Mazzi zu fassen. Dabei zeigt sich, dass Lambertini als Papst und als Erzbischof von Bologna in den verschiedensten Bereichen bemüht war, Ambiguität zu beseitigen und insbesondere im Bereich des Kirchenrechts möglichst eindeutige Regelungen zu schaffen.
Der zweite Teil rückt die Korrespondenz mit Mazzi sowie die Rolle Lambertinis als Papst ins Zentrum. Untersucht wird sein Antinepotismus und dessen Folgen für die päpstliche Personalpolitik und die Verwaltung des Kirchenstaats. Da er die Papstfamilie nicht nach Rom holte und keinen Kardinalnepoten ernannte, musste Benedikt XIV. auf einen ausgeprägten Klientelismus setzen, dies wird insbesondere bei der Betrachtung der eingesetzten Akteure deutlich. Dasselbe Muster findet sich auch in Lambertinis Interaktion mit Bologna. Schenkungen an das Istituto delle scienze und an die Kirchen der Stadt inszenierten den Papst zwar als grosszügigen Patron. Dabei verwahrte sich Lambertini jedoch zugleich gegen die Nutzung von Mitteln der Kirche und des Kirchenstaates. Solche Schenkungen galten primär der Steigerung des eigenen Ansehens sowie der Bindung von Akteuren im Umfeld der beschenkten Institutionen.
Der dritte Teil der Arbeit ist der Rolle Lambertinis als Erzbischof von Bologna gewidmet. Beleuchtet wird die Ökonomie des Erzbistums sowie der drei Institutionen, welche der Verwaltung Mazzis unterstanden: die Mensa arcivescovile, der Cumulo della Misericordia und die Fabbrica di S. Pietro. Dabei kann nachgewiesen werden, dass Lambertini eine deutliche Trennung zwischen den Finanzen des Kirchenstaates und jenen des Erzbistums vornahm. Es finden sich keine Hinweise auf die Nutzung päpstlicher Gelder für den Unterhalt des Erzbistums und dessen Institutionen. Hingegen nutzte Lambertini rege die von ihm abhängigen Akteure und Kommunikationswege, um seine spezifischen Interessen als Erzbischof durchzusetzen. Dies wird besonders anhand der Interaktionen mit den Kardinallegaten in Bologna und Ferrara deutlich.
Im letzten Teil wird Lambertinis Rolle als Familienoberhaupt untersucht. Dabei stechen die ausgeprägte Sparsamkeit in Bezug auf familiäre Interessen und die deutliche Trennung zwischen Kirchenstaat und Familie ins Auge. Weder betraute Benedikt XIV. Mitglieder seiner Familie mit Ämtern des Kirchenstaats, noch liess er zu, dass sich seine Verwandten als Mitglieder einer Papstfamilie in Szene setzten. Diesbezüglich manifestierten sich die grössten Unterschiede zu den Praktiken seiner Vorgänger im 17. Jahrhundert. Dies traf besonders auf den Umgang des Papstes mit seinem Neffen Egano Lambertini zu, dessen imbecillità er regelmässig thematisierte. Nichtsdestotrotz können Gunsterweisungen in Form von Ämtern und Lehen im Umfeld Bolognas, Ferraras und des Malteserordens für den päpstlichen Neffen und dessen Nachkommen nachgewiesen werden. Die grösste Unterstützung genoss jedoch Filippo Maria Mazzi, welcher als wichtigster Klient erscheint, was jedoch an der Herkunft des untersuchten Quellenkorpus liegen dürfte. Neben den finanziellen Zuweisungen an den Agenten selbst traten die Patronageleistungen gegenüber den Neffen Mazzis in Form von Empfehlungen zur Förderung der Karriere, Ernennungen in Ämter und finanziellen Zuschüssen.
Die Ökonomie von Prospero Lambertini zeichnete sich somit zwar durch eine restriktive Familienpolitik sowie eine intensive Disambiguierung in Bezug auf die Herkunft der finanziellen Ressourcen aus, unterschied sich jedoch in anderen Bereichen weniger von jener des 17. Jahrhunderts. Sie blieb von Klientelismus und informellen Netzwerken geprägt. Damit verweist die Untersuchung der Praktiken Lambertinis auf nach wie vor vorhandene Rollenambiguitäten in der Mitte des 18. Jahrhunderts sowie Kontinuitäten in den Strukturen des Kirchenstaates.