Mit dem Gewehr in der Schule. Geschichte der Erziehung und des militärischen Vorunterrichts der Tessiner Kadetten zwischen 1851 und 1879

AutorIn Name
Ludovico
Zappa
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
PD Dr.
Carl Alexander
Krethlow
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2019/2020
Abstract
Diese Arbeit handelt von den Tessiner Kadetten. Das Thema ist zwar auf Bundesebene gut dokumentiert, im Kanton Tessin jedoch wenig bekannt und erforscht. Zu seiner Beschreibung recherchierte der Autor auf nationaler Ebene (Nationalbibliothek und Bundesarchiv) und auf kantonaler Ebene (Staatsarchiv und Lokal- und Stadtarchive), um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Tessiner Kadetten und ihren Kommilitonen jenseits der Alpen darzustellen. Das Kadettenwesen, also junge Menschen im Alter zwischen 10 und 17 Jahren, die vormilitärische Kurse besuchen, hat in der Schweiz eine lange Tradition. Die ersten Korps wurden bereits Ende des 18. Jahrhunderts gegründet. Ihr Zweck war es, den Jugendlichen erste militärische Erfahrungen und das entsprechende Wissen zu vermitteln und sie an militärische Disziplin und Hierarchie zu gewöhnen. Das Kadettenwesen diente somit in seinem Kern als Vorbereitung für den künftigen Militärdienst. Zudem kam dem Kadettenwesen nach der Gründung des modernen Schweizer Bundesstaates eine wichtige politische bzw. patriotische Funktion zu, indem es zur Herausbildung eines Nationalgefühls unter den Jungen beitrug. Die Kadettenkorps brachten junge Menschen aus dem ganzen Kanton und der Schweiz zusammen, schufen ein Klima der Freundschaft und Zusammenarbeit und stärkten das Gefühl einer gemeinsamen eidgenössischen Identität. Im Jahre 1851 verpflichtete der Tessiner Staatsrat die verschiedenen Sekundarschulen des Kantons zur Einführung des militärischen Vorunterrichts für ihre Schüler. Mit der Säkularisierung der Schulen übernahm der Kanton 1852 die Leitung und Kontrolle der Sekundarschulen und sorgte dafür, dass die militärische Ausbildung auf kantonaler Ebene verbreitet und unter den Amtsbehörden durchgeführt und überwacht wurde. Die liberale Kantonsregierung schrieb den Kadetten wichtige militärische, bildungspolitische und zivilgesellschaftliche Funktionen zu. Die militärische Bildung war Teil eines schulischen Gesamtkontexts , der «gute Bürger» forderte, die sich ihrer Rolle in der Gesellschaft bewusst waren und die neuen liberalen und republikanischen Institu- tionen unterstützten. Das Kadettenwesen diente somit als Werkzeug für die Bildung einer neuen Art von Bürger. Das Tessiner Kadettenwesen begann und ver- breitete sich nicht auf freiwilliger Basis, wie dies im restlichen Teil der Schweiz der Fall war. Im Tessin wurden die Kadetten auf Beschluss des Staatsrates eingeführt und damit institutionell und finanziell unterstützt. Auf diese Weise waren die verfügbaren Mittel und die öffentliche Unterstützung für die Kadetten geringer als jenseits der Alpen. Zudem sahen sich die Tessiner Schulen, und damit indirekt auch die Kadetten, mit einer hohen Auswanderungs- und Absentismusrate konfrontiert, was sich auch auf die Schulbildung des Kantons auswirkte. Die patriotische Funktion war also hier, wie in allen Schweizer Kadettenkorps, zwar präsent, aber mit einem zusätzlichen Aspekt: Es wurde nicht nur der Nationalpatriotismus gefeiert, sondern auch einem kantonalen Patriotismus gefrönt. Nach 300 Jahren als Teil von Landvogteien der alten Eidgenossenschaft, begann das Tessin mit der Suche nach einer gemeinsamen kantonalen Einheit und Identität, die verschiedene Lokalpartikularismen und Regionalismen überwinden sollte. Nach einem schwierigen Anfang, der durch den Mangel an Instruktoren und Material sowie das Misstrauen von Teilen der Gesellschaft gekennzeichnet war, wurden die Kadetten mit der Zeit von der Bevölkerung akzeptiert. Insbesondere die Einführung von Kadettenfesten konsolidierte das Kedettenwesen – ganz so, wie es auch in der übrigen Schweiz gängig war. Diese jährlichen Veranstaltungen fanden an verschiedenen Orten im Kanton statt und dienten dazu, nicht nur junge Menschen aus dem ganzen Tessin, sondern auch die lokale Bevölkerung in einer festlichen Atmosphäre der kantonalen Bruderschaft zusammenzubringen, ohne jedoch die patriotischen und militärischen Absichten zu vernachlässigen. Zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahr- hunderts hatten sich die Tessiner Kadetten immer grösseren Herausforderungen zu stellen. Die Notwendigkeit einer neuen Bewaffnung, die den föderalen Vorschriften entsprechen musste, sowie die Tendenz auf nationaler Ebene, anstelle des militärischen Vorunterrichts die obligatorische Gymnastik einzuführen, stellten eine ernsthafte Bedrohung für ihren Fortbestand dar. Im Tessin kamen weitere Komplikationen hinzu. Dort stellte sich das seit langem bestehende Problem der Staatsschulden, die jegliche Investitionen verhinderten sowie das Klima eines anhaltenden (selbst gewalttätigen) politischen Konflikts zwischen Konservativen und Radikalen. Die Kombination all dieser Faktoren führte dazu, dass die Kadettenerfahrung im Süden der Alpen nicht länger als ein Vierteljahrhundert dauerte.
Library ID
alma991170744129105501

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