Mir wëlle bleiwen wat mir sin. Eine Oral History über Desertionsmotive zwangsrekrutierter Luxemburger in der Wehrmacht

AutorIn Name
Frank
Geister
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Stig
Förster
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2010/2011
Abstract
Das neutrale Grossherzogtum Luxemburg wurde 1940 vom Deutschen Reich besetzt, damit die Wehrmacht das Territorium zum Durchmarsch nach Frankreich benutzen konnte. Als der Wehrmacht 1942 an der Ostfront Soldaten fehlten, wurden die Luxemburger Männer der Jahrgänge 1920 bis 1927 von der nationalsozialistischen Verwaltung nach und nach zwangsrekrutiert. Fast ein Drittel der über 10‘000 Zwangsrekrutierten kam im Krieg um, ein Drittel überlebte in der Wehrmacht bis zum Kriegsende, und ein weiteres Drittel desertierte aus der Wehrmacht. Diese hohe Desertionsrate ist Angelpunkt der Masterarbeit, welche der Frage nachgeht, aus welchen Gründen so viele Luxemburger aus der Wehrmacht desertiert sind. Auch das Alter der Soldaten, die Einsatzgebiete, der Zeitpunkt des Kriegsdienstes und die Einstellung der Bevölkerung werden dazu untersucht. Die Arbeit erörtert die mentalitätsgeschichtliche Entwicklung des Grossherzogtums und beleuchtet danach die zentralen Akteure des Themas wie die deutsche Zivilverwaltung in Luxemburg, die Wehrmacht, die Zwangsrekrutierten und die Luxemburger Bevölkerung. Diese setzte sich bis zum Zeitpunkt der Zwangsrekrutierung aus einer grossen schweigenden Mehrheit, wenigen aktiven Resistenzlern und noch weniger Kollaborateuren zusammen. Danach beteiligten sich immer mehr Familien am Widerstand, da alle durch die Zwangsrekrutierung betroffen sein konnten. Zur Erforschung des Themas wurden Artikel aus dem Verordnungsblatt für Luxemburg der Zivilverwaltung aus dem Jahre 1942 sowie Berichte des Sicherheitsdienstes (SD) untersucht, die über die Stimmung in Luxemburg während der Besatzungszeit informieren. Auch Biographien und Oral History Interviews mit überlebenden Zwangsrekrutierten waren für die Beantwortung der Fragestellung wertvoll. Die Arbeit deckt auf, dass für die hohe Desertionsrate zwei Akteure massgebend waren: Die Deserteure und die Widerständler. Beide wurden durch einen historisch gewachsenen Hass auf Deutschland gestützt, zusätzlich verstärkt durch die Zwangsrekrutierung, die erzwungene Germanisierung und die Umsiedlung der Familien von Resistenzlern in ostdeutsche Gebiete. Einerseits waren die Luxemburger Zwangsrekrutierten häufiger als andere in kämpfenden Verbänden an der Front eingesetzt, wodurch die Ungleichbehandlung ersichtlich wurde. Andererseits führte das relativ niedrige Alter der Luxemburger dazu, dass diese weniger zu verlieren hatten, da sie noch nicht verheiratet waren und eng an ihre Eltern gebunden waren, die sie unterstützten. Noch wichtiger als die Motive der einzelnen Soldaten war schliesslich die Unterstützung der Deserteure von einer solidarischen Bevölkerung mit Verstecken, Zivilkleidung, Fahrrädern, Nahrungsmitteln oder Ausweispapieren. Auch die Gefahr denunziert zu werden war im besetzten Luxemburg ungleich kleiner als in Deutschland, wo eine Desertation auch aus diesem Grunde für viele Soldaten kaum in Frage kam. Die Masterarbeit kommt zum Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit der Desertion höher ist, wenn den Soldaten die nötige Unterstützung durch die Bevölkerung – auch moralischer Natur – sicher ist.

Zugang zur Arbeit

Bibliothek

Akademische Arbeiten werden in der Bibliothek der jeweiligen Universität hinterlegt. Suchen Sie die Arbeit im übergreifenden Katalog der Schweizer Bibliotheken