Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Kristina
Schulz
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2016/2017
Abstract
Eine zentrale Forderung der autonomen Frauenbewegungen der 1970er Jahre waren Räume, in denen sich Frauen ungestört austauschen konnten. Da die für feministische Diskussionen benötigte Literatur in traditionellen Buchhandlungen kaum erhältlich war, wurden Frauenbuchläden gegründet. Diese erfüllten bald eine doppelte Funktion: Literatur und Räume wurden nämlich von Frauen für Frauen zur Verfügung gestellt. Die neuen Frauenbewegungen entstanden aus der kritischen Auseinandersetzung mit Gruppierungen der 1968er-Bewegungen und waren dementsprechend nicht nur patriarchats-, sondern auch kapitalismuskritisch. Mit dem Verkauf von Literatur beteiligten sich Frauenbuchläden als eine Drehscheibe dieser neuen Frauenbewegungen, jedoch genau an der kritisierten kapitalistischen Wirtschaftsordnung. In der vorliegenden Arbeit wird daher anhand von drei exemplarischen Betrieben in Basel, Bern und Genf der Widerspruch zwischen Selbsthilfe, Kapitalismuskritik und ökonomischen Interessen beleuchtet, in dem sich Frauenbuchläden bewegten. Dabei steht insbesondere die Frage im Zentrum, wie die Betreiberinnen selbst mit diesem Spannungsfeld umgingen.
Neben schriftlichen wurden auch mündliche Quellen berücksichtigt, die mit der Oral-History- Methode generiert wurden. In den drei untersuchten Buchhandlungen wurde jeweils mit der Buchhändlerin und einer langjährigen Kundin ein Gespräch geführt. Dadurch war es möglich, zusätzlich zur Dokumentation von historischen Fakten, die persönlichen Erinnerungen der Akteurinnen miteinzubeziehen.
Obwohl Frauenbuchläden idealtypisch kollektiv organisiert waren, traf dies bei den drei untersuchten schweizerischen Betrieben nur auf denjenigen in Genf zu. Die Läden in Basel und Bern wurden von Einzelunternehmerinnen geführt, die Basler Buchhandlung bot zudem seit den Anfängen neben feministischer auch weitere gesell- schaftskritische Literatur an. Dennoch wurde diese bis mindestens Mitte der 1980er Jahre als Frauenbuchladen wahrgenommen, während die anderen beiden Buchhandlungen bis zu ihrer Schliessung 2009 bzw. 2011 am Konzept des Frauenbuchladens festhielten.
Die Betreiberinnen der Frauenbuchläden verfolgten das Ziel, den Akteurinnen der feministischen Szene neben Rückzugsorten insbesondere einschlägige Literatur zur Verfügung zu stellen und damit auch einen Rahmen für Selbsthilfe zu bieten. Ihnen war dabei durchaus bewusst, dass sie sich mit ihren wirtschaftlichen Betrieben in einem Spannungsfeld befanden. Daher begründeten sie ihr Engagement damit, dass sie mit ihren Buchläden der feministischen Szene und somit einem Kollektiv dienten.
Ihr wirtschaftliches Agieren im kapitalistischen System konnten die Akteurinnen einerseits damit legitimieren, dass ihre Läden aus den Impulsen der neuen Frauenbewegungen hervorgegangen waren. Andererseits wirkten die Betreiberinnen selbst in der feministischen Szene, weshalb der Markt und die Bewegung zusammenfielen. Obwohl keine der Buchhandlungen mit dem Ziel gegründet worden war, für die involvierten Personen einen hohen Ertrag einzubringen, lassen sich anhand der verschiedenen Organisationsformen dennoch Unterschiede bezüglich der finanziellen Ansprüche feststellen. Die Genossenschaftsbuchhandlung wurde von einem Kollektiv getragen, das sich sowohl die Arbeit als auch die finanzielle Verantwortung aufteilte. Das Engagement basierte zu einem grossen Teil auf freiwilliger und weitgehend unbezahlter Arbeit. Die beiden Einzelunternehmerinnen, die sich mit der Eröffnung ihrer Betriebe den Traum der Selbstständigkeit erfüllten, waren hingegen persönlich von den Erträgen abhängig. Dies führte dazu, dass die eigenständigen Betreiberinnen im Vergleich zum Genossenschaftsbuchladen – dessen Ausrichtung statutarisch festgeschrieben war – ihr Angebot deutlich flexibler ihren persönlichen Interessen und vor allem der wirtschaftlichen Nachfrage anpassen konnten. Auf diesem Hintergrund lässt sich auch die chronisch schwierige finanzielle Situation der Genossenschaftsbuchhandlung erklären. Dennoch blieb die kollektiv geführte Buchhandlung dem Idealbild eines Frauenbuchladens treu und ging keine Kompromisse im V erkaufsprogramm ein.
Nach dem Mobilisierungshöhepunkt Mitte der 1970er Jahre kam es in der feministischen Bewegung zu einer partiellen Institutionalisierung und zur Abnahme ihrer politischen Brisanz. Frauenbuchläden ermöglichten den autonomen Frauenbewegungen, feministische Forderungen auch
ausserhalb der Politik zu thematisieren, und Einfluss auf die langfristige öffentliche Wahrnehmung ihrer Anliegen zu nehmen.