Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Joachim
Eibach
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2014/2015
Abstract
Im 19. Jahrhundert wurden öffentliche Hinrichtungen im Deutschen Reich, in Preussen, in Frankreich, in Österreich, in Grossbritannien, in den Niederlanden, in den USA und in der Schweiz praktiziert. Sie waren nichts Aussergewöhnliches. Hinrichtungen waren stets aufwendig geplante und strukturierte Schauspiele gewesen. Ein Zeremoniell legte den Ablauf genau fest. Das gesamte Prozedere kann mit einem Theater verglichen werden, da jede öffentliche Exekution eine Performance, eine Inszenierung und ein Ritual beinhaltet. Sie ist eine Aufführung mit festem Drehbuch, das die Vorgehensweisen der Aufführung regelt und sich stets wiederholt. Zum Thema der Masterarbeit Hinrichtungen im Kanton Bern von 1805 bis 1861 stellte sich folgende Frage: Wieso konnte das Schauspiel der Hinrichtung trotz einer liberalen und aufgeklärten Gesellschaft im Kanton Bern bis ins Jahr 1861 öffentlich inszeniert werden? Der Kanton Bern praktizierte eine sehr restriktive Begnadigungspraxis und dementsprechend wurden im untersuchten Zeitraum (1805-1861) Mörder und Diebe in der Regel nicht begnadigt. In dieser Begründung schwebt auch der Gedanke der Vergeltung als Argument für die Todesstrafe mit, denn für einen Mord sei nur der Tod die adäquate Form der Bestrafung. Zweck des öffentlichen Tötens war es, die Zuschauer abzuschrecken und die öffentliche Sicherheit wiederherzustellen. Eine öffentliche Hinrichtung wurde für das Publikum konzipiert und von ihm zahlreich besucht. Die Menschen liessen sich einerseits abschrecken und andererseits sahen sie dem „bunten“ Treiben auf dem Schafott beinahe gleichgültig zu. Bei solchen volksfestähnlichen Veranstaltungen kam es unter den Anwesenden immer wieder zu Tumulten oder Krawallen, wie zum Bespiel bei Fehlschlägen des Scharfrichters. Der Kanton Bern verlegte nicht, wie viele übrige Teile Europas oder auch die USA, die öffentliche Vollstreckung eines Todessurteils hinter Gefängnismauern. Dies lag daran, dass es ab 1848 keine Volksaufstände oder Revolutionen mehr gab, die die öffentliche Ordnung gestört hätten und unterdrückt hätten werden müssen. Bern besass nach 1848 auch kein Scharfrichteramt mehr. Auswärtige Scharfrichter wurden organisiert. Aus diesen Gründen konnte ein Todessurteil bis in das Jahr 1861 öffentlich vollzogen werden. Nach der letzten Hinrichtung von Johann Kläntschi am 9. Dezember 1861 wurden Todessurteile in Haftstrafen umgewandelt. Die Totalrevision der Bundesverfassung 1874 bestimmte ein gesamtschweizerisches Verbot der Todesstrafe. Dieses Verbot wurde 1879 wieder aufgehoben. Der Kanton Bern nahm dies aber nicht mehr zum Anlass, die Todesstrafe wiedereinzuführen.
Neben dem Delinquenten und dem Publikum besetzten der Pfarrer und der Scharfrichter wichtige Rollen im Exekutionsspektakel. Der Pfarrer begleitete den Täter zur Richterstätte ausserhalb der Stadt und unterstützte ihn auf dem Weg durch Gebete. Der Geistliche sprach nach dem vollstreckten Urteil eine Standrede, in der er auf die Biographie und das Delikt des Delinquenten einging und richtete gleichzeitig mahnende und warnende Worte ans Publikum, nicht Gleiches zu tun. Manchmal kam es vor, dass der Täter vor seiner Exekution einige Worte sprach. Der Henker übte die zentralste und schwierigste Tätigkeit aus. Seine Aufgabe bestand darin die Tötung, sei es durch das Rad, das Schwert oder den Strang, zu vollziehen. Dies waren die häufigsten Hinrichtungsmethoden. Im Kanton Bern wurden die Übeltäter ab den 1830er Jahren ausschliesslich mit dem Schwert hingerichtet. Der Scharfrichter war für einen reibungslosen Ablauf des Tötungsaktes verantwortlich. Er sollte mit einem sicheren Schlag den Delinquenten töten. Doch das Köpfen mit dem Schwert war keineswegs eine leichte Aufgabe, da sie Konzentration, Kraft und Präzision erforderte. Fehler kamen durchaus vor, wie bei der Exekution von Jakob Wyssler. Der erste Schlag ging direkt in die Schultern und erst der zweite war dann tödlich. Solche misslungene Hinrichtungen konnten Proteste auslösen.
Insgesamt 58 zum Tode verurteilte und hingerichtete Delinquenten wurden näher untersucht. Hierbei handelte es sich um 15 Frauen und 43 Männer. Das erstellte soziale Täterprofil lieferte wichtige Informationen über das Alter, das Geschlecht, den Stand und den Beruf des Delinquenten. Aus den Quellen gingen ebenso die verübten Delikte sowie die Hinrichtungsmethoden hervor. Die berufliche Tätigkeit gab Auskünfte über ihre soziale Herkunft. Denn ausser einem männlichen Delinquenten, der ein Studium absolvierte, arbeiteten alle als Tagelöhner, Dienstmägde, Spinnerinnen, Knechte oder Landarbeiter. Dies sind klare Hinweise für Personen aus der untersten sozialen Schicht, die in ärmlichen Verhältnissen lebten. Da erstaunt es nicht, dass neben Habgier, Hass und Rache auch Armut eines der häufigsten Tatmotive war. Die Ergebnisse, die aus den Quellen zu entnehmen waren, bestätigen, dass straffällig gewordene Delinquenten im Kanton Bern vorwiegend wegen Tötungs- oder wiederholter Eigentumsdelikte (Diebstähle, Einbruchsdiebstähle) öffentlich hingerichtet wurden. Die Kindstötung war bei den Frauen, und der Mord bei den Männern die am meisten verübten Taten.
Bis 1992 kannte man die Todesstrafe noch im Militärgesetz. Ab 2000 wurde die Todesstrafe gemäss Artikel 10 der Bundesverfassung verboten: „Jeder Menschen hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten.“ Das Leben ist das höchste Gut und jeder sollte das Recht auf Leben haben. Die Integrität des Menschen sollte unter allen Umständen geschützt werden.