Jugendhäuser in Zürich in den 1970er Jahren. Eine emotionshistorische Betrachtung des Vereins Zürcher Jugendhaus, des Stadtrates von Zürich und der Zürcher Jugend

AutorIn Name
Mathias
Weissen
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christian
Gerlach
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2019/2020
Abstract
Am 29. Juni 1968 kommt es in Zürich zu Auseinandersetzungen zwischen jugendlichen Demonstranten und der Polizei beim Globusprovisorium. Die Jugendlichen fordern ein autonomes Jugendzentrum in der Zürcher Innenstadt. Dieser Konflikt wird nach einem kurzen Abflachen der Protestbewegung in die 1970er Jahre weitergetragen. Dieser Zeitraum bis hin zu der 80er-Bewegung – wird in dieser Arbeit untersucht. Experimente mit Jugendhäusern sind zum Zeitpunkt der 68er-Bewegung in Zürich schon mehrere Jahrzehnte alt. Die Idee eines Jugendhauses entsteht schon in den 1930er Jahren. 1949 gründet die Vereinigung Ferien und Freizeit (VFF) gemeinsam mit dem Zürcher Frauenverein ein Initiativkomitee für ein Jugendhaus in Zürich. Bei der Gründungsversammlung wird schon befürchtet, dass man in der Form einer Gesellschaft nicht auf längere Sicht erfolgreich arbeiten kann. Deshalb wird an der ersten Arbeitsausschusssitzung am 20. Oktober 1949 die Gesellschaft in einen Verein umgewandelt. Der Verein Zürcher Jugendhaus (VZJ) ist geboren. Dem Verein wird am 1. Oktober 1960 von der Stadt das Jugendhaus Drahtschmidli zur Verfügung gestellt. Das Drahtschmidli gilt als eines der ersten Jugendhäuser in der Schweiz. Später kamen der Lindenhofbunker und die Villa Schindlergut dazu. Der VZJ wurde als Schirmherr des Drahtschmidli zu einem wichtigen institutionellen Organ in der Jugendhausfrage. Als politische Behörde und wichtiger Entscheidungsträger rückt der Stadtrat von Zürich in den Fokus dieser Arbeit. Natürlich darf die Jugend als dritte Gruppe in dieser Betrachtung nicht fehlen. Ziel dieser Masterarbeit ist es, die Beziehungen zwischen diesen drei wichtigen Gruppen in der Jugendhausfrage mit Hilfe einer emotionshistorischen Methodik zu analysieren. Gefühle stehen im Zentrum der Analyse. Welche Emotionen empfanden die jeweiligen Parteien gegenüber anderen Gruppen? Welche Arten von Emotionen wurden in der externen und internen Korrespondenz transportiert? Wurden Emotionen durch ein bestimmtes Handeln vermittelt oder auch ausgelöst? Wurde mit Hilfe von Emotionen versucht, Gefühle anderer zu lenken und so sein eigenes Ziel betreffend der Jugendhäuser zu erreichen? Die hierfür angewandte emotionshistorische Methodik entstand durch eine intensive Auseinandersetzung mit konzeptionellen Ansätzen verschiedener Vordenkerinnen und Vordenkern, welche von Jan Plamper in seinem Werk Geschichte der Gefühle dargestellt werden. Bei der Literatur, welche sich mit Jugendprotest, Emotionen von Jugendlichen und Jugendhäusern auseinandersetzt, müssen hier zwei Hochschulschriften als wichtige Quellen explizit erwähnt werden. Johannes Ludin untersuchte in seiner Lizenziatsarbeit Jugendhäuser. Eine Institution und ihre Bewohnerschaft die Besucherinnen und Besucher des Drahtschmidli. Die Dissertation von Thomas Kunz aus dem Jahr 1993 beschäftigt sich intensiv mit der Geschichte des Vereins Zürcher Jugendhaus und schafft eine gewisse Grundlage für diese Masterarbeit. Damit sind die benutzten Archivalien in ihrem historischen Kontext besser zu verstehen. Als Hauptquellen dienen Protokolle und Korrespondenzen des Vereins Zürcher Jugendhaus und des Stadtrates von Zürich, sowie eine Sammlung von Flugschriften, welche grösstenteils von jugendlichen Gruppen stammen, die sich für ein autonomes Jugendzentrum einsetzen. Die genutzten Quellen sind im Schweizerischen Sozialarchiv Zürich gesammelt. Die Arbeit verfolgt einen sozialkonstruktivistischen Ansatz. Die methodischen Ansätze der Historikerin Barbara Rosenwein erlauben die untersuchten Gruppen als emotional communities zu betrachten, welche gemeinsame Ziele verfolgen und aufeinander emotional einwirken. Ideen des Historikers William Reddy werden auf die untersuchten Quellen angewandt. Dieser plädiert für einen sprachphilosophischen und diskurksanalytischen Ansatz, wobei klare Gefühlsäusserungen im Schriftverkehr hervorgehoben werden. Es zeigt sich ein grundsätzlich harmonisches Verhältnis zwischen dem Verein und der Stadt. Unmittelbar nach 1968 ist man gar gewillt, ein Jugendhaus mit einem autonomen Charakter der Jugend zuzugestehen. Doch nach den Negativereignissen um den Lindenhofbunker zu Beginn der 1970er Jahre kippt die Gefühlswelt der Beteiligten zunehmend ins Negative. Dieses Autonomie-Ex- periment scheitert bereits nach wenigen Wochen. Beim Verein – wie bei der Stadt – ist immer wieder ein starkes Kategoriendenken bei den Jugendlichen ersichtlich. Es wird zwischen unauffälligen und rebellierenden Jugendlichen unterschieden, was immer wieder zu Konflikten führt. Emotionen wie Wut, Trauer, Unverständnis und ein starker Freiheitswunsch der Jugendlichen werden zu Motoren des Handelns der erforschten Parteien in der Jugendhausfrage. Sie werden in dieser Arbeit mit den gesichteten Quellen exemplarisch dargestellt und somit die Beziehungen untereinander verdeutlicht.

Zugang zur Arbeit

Bibliothek

Akademische Arbeiten werden in der Bibliothek der jeweiligen Universität hinterlegt. Suchen Sie die Arbeit im übergreifenden Katalog der Schweizer Bibliotheken