Geschichte der Tuwinischen Volksrepublik (1921 – 1944)

AutorIn Name
Timeo
Antognini
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christian
Gerlach
Institution
Historisches Institu
Ort
Bern
Jahr
2022/2023
Abstract

Tuwa–heute eine autonome Republik Russlands–war zwischen 1921 und 1944 ein unabhängiger Staat. Nach einigen Jahrhunderten unter chinesischer und russischer Kontrolle und vor dem Eintritt in die Sowjetunion im Jahr 1944 bestand in dieser Region die Volksrepublik Tuwa. Dieser Staat, der während seiner Existenz nur von der Sowjetunion und der Mongolischen Volksrepublik anerkannt wurde, kann als einer der ersten sozialistischen Staaten bezeichnet werden. Ein Staat mit ähnlicher Geschichte ist die Mongolische Volksrepublik. Im Gegensatz zu Tuwa findet man jedoch zur Mongolei in der westlichen Geschichtsschreibung genügend Literatur. Die Literatur zur Tuwinischen Volksrepublik ausserhalb Russlands ist hingegen sehr spärlich.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Geschichte der Tuwinischen Volksrepublik zu thematisieren. Dabei wird der Fokus auf die politische, wirtschaftliche, religiöse und gesellschaftliche Entwicklung gelegt. Mittels der Quellen soll auch beleuchtet werden, wie der Staat in den 23 Jahren der Unabhängigkeit regiert wurde, welchen Einfluss die Sowjetunion als mächtiger Nachbar hatte und wie sich die Entwicklung des Landes von anderen sozialistischen Staaten unterschied. Dabei wird beleuchtet, inwiefern sich die traditionelle Lebensweise der Tuwiner:innen, die zu einem grossen Teil als viehzüchtende Nomad:innen lebten, in dieser Periode veränderte.

Bei der Recherche wurde Wert darauf gelegt, sich nicht nur auf sowjetische und tuwinische Quellen zu stützen, sondern auch nach westlichen Quellen zu suchen. Grosses Gewicht kam den Verfassungen der Tuwinischen Volksrepublik zu. Zusätzlich wurden beispielsweise Beschlüsse der

Regierung und der führenden Partei sowie Berichte, Artikel und Zeitungsauschnitte konsultiert, die in der Zeit der Unabhängigkeit von tuwinischen, russischen, aber auch westlichen Beobachtern verfasst wurden. Hinzu kommen Fotografien, Bilder und auch eine Filmquelle.

Die Quellen zeigen, dass die unmittelbaren Folgen der Unabhängigkeit eine neue Verfassung sowie erste politische Institutionen waren, die in den Anfangsjahren eingerichtet wurden und mit der ausformulierten Verfassung von 1924 eine rechtliche Grundlage erhielten. Die gesellschaftliche Struktur und das tägliche Leben der Bevölkerung veränderten sich jedoch vorerst nur wenig. Viele blieben der nomadischen Viehwirtschaft und den eigenen religiösen Traditionen treu, während die lokalen tuwinischen Fürsten die neuen Machtpositionen einnahmen. Diese Entwicklung setzte sich bis ins Jahr 1929 fort, als ein Linksrutsch eine radikale Veränderung des politischen Kurses brachte. Eine neue, der Sowjetunion gegenüber loyale Elite putschte sich an die Macht. Es kam zur Verfolgung der ehemaligen Machthaber und zu einem drastischen politischen, wirtschaftlichen, religiösen und gesellschaftlichen Kurswechsel. Eine Kollektivierung wurde in Gang gesetzt, die sich negativ auf die Wirtschaft auswirkte. Der Viehbestand ging zurück und das religiöse Leben verschwand fast gänzlich aus der Öffentlichkeit. Auf die negativen wirtschaftlichen Folgen wurde jedoch im Jahr 1933 reagiert. Eine moderatere Fraktion konnte sich durchsetzen und eine Entkollektivierung der tuwinischen Wirtschaft einleiten. Dieser Schritt liess den Viehbestand wieder wachsen, 1938 erreichte er ein ähnliches Niveau wie 1929. Die neue Entwicklung hielt allerdings nur bis 1938 an, als die radikalere Fraktion mit Hilfe der Sowjetunion die Macht erneut übernahm und zur vorherigen Politik der Kollektivierung zurückkehrte. Dieser Prozess machte jedoch bis Tuwas Eintritt in die Sowjetunion nur langsame Fortschritte, so dass viele Nomad:innen weiterhin ihre nach 1933 wiedererlangte traditionelle Lebensweise beibehalten konnten. Die zwischen 1933 und 1938 wiedereröffneten Klöster mussten jedoch erneut schliessen. Im Jahr 1944 ging mit dem Eintritt in die Sowjetunion Tuwas Unabhängigkeit zu Ende.

Die Geschichte der Tuwinischen Volksrepublik wurde wesentlich von der Sowjetunion beein-

flusst. Zwischen 1921 und 1944 mischte sie sich immer wieder in die politischen Entscheidungen des Landes ein. Der Vergleich der Geschichte der Tuwinischen Volksrepublik mit anderen Regionen mit ähnlichen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen zeigt, dass Tuwa einerseits vergleichbare Entwicklungen durchlief, dass es aber anderseits auch Unterschiede gab. Gerade die Phase der Entstalinisierung und Entkollektivierung zwischen 1933 und 1938, während der eine moderatere Politik praktiziert wurde und die Religionen mehr Freiheiten bekamen, scheint eine Besonderheit darzustellen.

Zugang zur Arbeit

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