Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
PD Dr.
Daniel Marc
Segesser
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2020/2021
Abstract
Während eines Krieges kommt es vor, dass viele Flüchtlinge und fremde Militärpersonen an einem geeigneten Ort Schutz suchen. Dies geschah auch im Zweiten Weltkrieg, als die Schweiz als Zufluchtsort fungierte. In dieser Masterarbeit geht es um die Analyse der Situation internierter fremder Militärpersonen in der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs. Im Zentrum stehen neben den Ursachen, Gegebenheiten, dem Aufbau, dem Alltag und den Konsequenzen der Internierung auch Fragen zur Interaktion zwischen Schweizer Behörden und Internierten. Was geschah, wenn sie aufeinandertrafen und ihre unterschiedlichen Vorstellungen, Erwartungen und Hoffnungen miteinander in Konflikt gerieten? Teil der Untersuchung sind die rechtlichen Grundlagen, das Eidgenössische Kommissariat für Internierung und Hospitalisierung (EKIH), die Unterkünfte, die Versorgung, der Kontakt nach aussen, der Alltag, die Arbeit, die Bildung, die medizinische Versorgung, die Schwierigkeiten und zum Schluss die Repatriierung.
Die konkrete Fragestellung der Arbeit lautet: Wie gestaltete sich die Internierung fremder Militärpersonen in der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs in Bezug auf die Interaktion zwischen den Schweizer Behörden und den Internierten?
Um diese Fragestellung zu beantworten, nimmt die Arbeit eine historische und hermeneutische Analyse der Literatur und Quellen vor. Ziel ist es, Informationen wissenschaftlich zu erheben, verarbeiten und auszuwerten. Als Quellen dienten hauptsächlich Archivbestände aus dem Bundesarchiv, dem Staatsarchiv Bern und dem Archiv der Stiftung «Archivum Helveto-Polonicum». Aus diesen Quellen lässt sich die Haltung und das Handeln der Schweizer Behörden besonders gut herausarbeiten. Die Perspektive der Internierten ist in diesen Quellen schwieriger zu eruieren. Deshalb zog die Arbeit diverse Erinnerungsschriften hinzu, beachtete dabei aber auch, dass diese häufig erst im Rückblick verfasst worden waren. Eine weitere sehr wichtige Quelle war der Schlussbericht des EKIH des ehemaligen Kommissärs Oberst René Probst.
Die Fragestellung lässt sich insofern beantworten, als dass es bei der Gestaltung der Internierung fremder Militärpersonen in der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs zu verschiedenen Konflikten kam, in welchen die jeweiligen Interessen und Wünsche der Schweizer Behörden und der Internierten aufeinandertrafen. Dabei konnten sich weder die fremden Militärpersonen noch die Schweizer Behörden restlos durchsetzen. Gegenseitige Anpassungen waren immer wieder notwendig. Im Hinblick auf die diversen Elemente der Internierung bedeutete dies beispielsweise für die Unterkünfte, dass die Gegebenheiten und die organisatorischen Schwierigkeiten des EKIH auf die Wünsche der Internierten nach möglichst komfortablen Unterkünften trafen. Die Wünsche der Internierten entsprachen dabei nicht immer dem, was machbar war. Dies galt auch für ihre Versorgung mit Lebensmitteln.
Das EKIH musste die prekäre Versorgungssituation der schweizerischen Zivilbevölkerung im Blick haben und konnte die Internierten damit nicht uneingeschränkt so versorgen, wie es deren Wünschen und Vorstellungen entsprochen hätte. Dies galt auch bei Versorgung mit sonstigen Gütern des täglichen Gebrauchs wie Kleidung, Schuhe oder Werkzeug, wo der Wunsch des EKIH, die Internierten möglichst sparsam, aber trotzdem genügend zu versorgen, mit dem Wunsch der Internierten, ihre eigene Situation so angenehm als möglich zu gestalten, kollidierte.
Diese Situation führte unter anderem zu Streitigkeiten bezüglich übermässigen Materialgebrauchs und Verschleisses. Ähnliche Konflikte entstanden auch bei der medizinischen Versorgung, bei der unterschiedliche Prioritäten bestanden und das EKIH nicht bereit war, jeglichen Verletzungen sofort Abhilfe zu schaffen und sich vermehrt auch auf die Prävention von Epidemien konzentrierte. Auch die Einschränkungen beim Kontakt der Internierten zur Aussenwelt durch das EKIH führte zu Spannungen. Das EKIH wollte den Kontakt zwischen den Internierten und der Zivilbevölkerung möglichst minimal halten und kontrollieren. Dabei traf es auf den Wunsch der Internierten, möglichst frei zu sein.
Dieser Konflikt über die Kontrolle war auch bei der Gestaltung der Freizeit, der Arbeit, der Bildung und der Disziplin festzustellen. Letztere stand in einem engen Bezug zur politischen Situation, insbesondere in den Heimatländern der Internierten. Bei der Repatriierung stiessen die Wünsche und Vorstellungen der Internierten ebenfalls auf die Möglichkeiten und Verantwortungen des EKIH. Einerseits gab es Internierte, die so schnell wie möglich zurück nach Hause wollten und die Verzögerungen nicht akzeptierten. Andererseits gab es allerdings auch Internierte, die nicht zurückgehen wollten. Das EKIH musste mit all diesen Internierten und deren diplomatischen Vertretungen zurechtkommen.