Die Freie Patriotische Bewegung eignet sich durch ihren Charakter als Oppositionspartei dafür, einen Einblick in das Funktionieren des libanesischen Politsystems zu geben.
Die Arbeit untersucht die oppositionelle Anklage der FPB als Analyse der libanesischen Mechanik der Macht aus der Perspektive eines Akteurs, der nicht an der Regierungsgewalt Teil hat. Die FPB verfügt über eine vorwiegend christliche Basis und vertritt gleichzeitig ein säkulares politisches Programm.
Die Allgegenwart der ṭāʾifīya, des politischen Konfessionalismus, zeugt vom Erfolg dieses ideologischen Konstruktes als Erklärungsmodell sozialer Phänomene. Die ṭāʾifa, die konfessionelle Gemeinschaft, gilt noch immer als ultimative soziale Bezugsgrösse und als gesellschaftliche Grundeinheit. Christliche oder maronitische Identität im Sinne eines diskursiv erzeugten Orientierungsmodell sozialer Interaktion zieht daher reale Konsequenzen nach sich. Gerade Aoun prägt den maronitischen Identitätsdiskurs und bewirkt eine „Orientalisierung“ der traditionell dem Westen nahen maronitischen Identität.
Die Wahlerfolge der FPB in 2005 und 2009 lassen erkennen, wie effektiv sich der korporative Akteur seinem institutionellen Umfeld angepasst hat. Seine Methoden haben alte Strategien der Mobilisierung unterlaufen und bei den Wählern ein Gefühl von Teilhabe und Mitbestimmung geweckt. Der tayyar als korporativer Akteur zeichnet sich aus durch zwei gegenläufige Tendenzen. Aoun steht für die traditionelle Organisationsform politischer Parteien im Libanon, die auf eine Person ausgerichtet ist. Obwohl die FPB Klientelismus und Korruption bekämpft, sind gewisse klientelistische Tendenzen im Kader des tayyars nicht von der Hand zu weisen. Gleichwohl profitiert der Akteur FPB von Aouns politischem Kapital, das auf die 80er Jahre zurückgeht, als er einen nationalen Widerstand personifizierte und es verstand, diesen geschickt zu lenken.
Seit der politischen Institutionalisierung der Bewegung in Form der FPB ist ein langsamer Demokratisierungprozess innerhalb der Partei festzustellen. Aoun und der FPB gelang es, gewisse Institutionen aufzubrechen und damit einen zögerlichen gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen. Gleichwohl bleibt die FPB – und primär ihr Präsident – in den sozialen Institutionen gefangen. Diese diktieren eine politische Mobilisierung entlang konfessioneller Linien und schaffen machtpolitische Tatsachen, denen sich im Libanon bis heute keine erfolgreiche politische Kraft entziehen kann.