Die Armeeabschaffungsinitiative der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) von 1989. Der Abstimmungskampf, die Gründe für die hohe Zustimmung und die Auswirkungen der Abstimmung

AutorIn Name
Olivier
Felber
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Silvia
Berger Ziauddin
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2020/2021
Abstract
Am 26. November 1989 befand die eidgenössische Stimmbevölkerung über die Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne Armee und für eine umfassende Friedenspolitik». Diese forderte nichts Geringeres als die Abschaffung des Militärs. Urheberin der Initiative war die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA). Mit einem unerwartet hohen Ja-Stimmenanteil von 35.6 Prozent erzielte die Gruppe einen Achtungserfolg. Obwohl die Vorlage zu den radikalsten Volksinitiativen der Schweizer Geschichte gehört, hohe Wellen geworfen hat und die GSoA heute noch politisch tätig ist, gibt es kaum Forschungen zu diesem Plebiszit und zur GSoA. Hier knüpft die Masterarbeit an. In erster Linie wird der Abstimmungskampf untersucht, wobei der Fokus auf der Kampagne der GSoA liegt. Dabei wird auch der Einsatz von Bildern und Emotionen analysiert. Die Gründe für die überraschend hohe Zustimmung, die Reaktionen in der Öffentlichkeit und mögliche Folgen der Abstimmung werden ebenfalls erforscht. Für die Arbeit wurden hauptsächlich die schriftlichen Bestände der GSoA im Schweizerischen Sozialarchiv ausgewertet. Dazu gehören etwa die Protokolle und die Korrespondenz. Auch Publikationen der GSoA und von ihr gesammelte Zeitungsartikel wurden analysiert. Daneben wurden vereinzelt bildliche Quellen hinzugezogen. Die Idee einer Initiative zur Armeeabschaffung gab es seit dem späten 19. Jahrhundert. Konkret wurden die Pläne aber erst um 1980, als die Schweizer JungsozialistInnen (JUSO) die Idee aufgriffen und 1982 die GSoA als Trägergruppe gründeten. Im März 1985 lancierte die Gruppe das Volksbegehren und im September 1986 reichte sie die erforderlichen Unterschriften ein. Der Abstimmungskampf war sehr polarisiert. Die GSoA klagte über Repressionen, einzelne Mitglieder erhielten sogar Drohungen. Zunächst stand die Gruppe mit ihrem Begehren relativ alleine da. Im Abstimmungskampf wurde das Anliegen jedoch von der Friedensbewegung, einigen linken Parteien und den Soldatenkomitees unterstützt. Bei den Argumenten zeigte sich eine grosse Bandbreite. Die Initianten zweifelten am Nutzen der Armee, wollten die entsprechenden Gelder sinnvoller verwenden und etwas zur globalen Entspannung beitragen. Hingegen fürchteten die Armeebefürworter um die Sicherheit und Neutralität einer Schweiz ohne Armee, betonten den wirtschaftlichen Nutzen des Militärs und misstrauten der Entspannung des Kalten Krieges. Die GSoA-Kampagne war partizipativ und kreativ. Die Gruppe wollte, dass sich alle im Rahmen ihrer Möglichkeiten beteiligen konnten. Die Kampagne sollte aussergewöhnlich und einfallsreich sein. Unterstützung hierbei erhielt die Gruppe von diversen Kulturschaffenden. Für die Abstimmung wurden Bücher geschrieben sowie Musik und Filme produziert. Im Abstimmungskampf führte die GSoA diverse Veranstaltungen durch, darunter das „Stop the Army“-Festival auf dem Bundesplatz in Bern. Mit zahlreichen Verkaufsartikeln wurde geworben und so die Kampagne mitfinanziert. Durch direktes Ansprechen der Wähler erhoffte sich die GSoA, möglichst stark mobilisieren zu können. Beim Einsatz von Bildern wurden die häufig verwendeten Tiermotive analysiert. Die GSoA nutzte die «Heilige Kuh» als Symbolisierung der Armee, da diese aus Sicht der Gruppe ein Tabu war. Auch der Igel, sonst ein Symbol der Armeebefürworter, und die in der Friedensbewegung verankerte Friedenstaube wurden verwendet. Bezüglich der Emotionen zeigte sich, dass die Gruppe eine positive Kampagne plante und eine Vision und ein Lebensgefühl verkaufen wollte. Der partizipative Abstimmungskampf mit vielen Veranstaltungen kann als ein Paradebeispiel der internen «emotion work» angesehen werden. Bei dieser werden individuelle Gefühle durch gemeinsame Aktivitäten in kollektive Emotionen von Stärke und sinnvoller Betätigung transformiert. Als Gründe für die unerwartet hohe Zustimmung wurden von verschiedener Seite die Entspannung des Kalten Krieges, die innenpolitischen Skandale, der Wandel von materialistischen zu postmaterialistischen Werten, die zunehmende Kritik an der Armee, das Erteilen eines Denkzettels und die Kampagne der GSoA genannt. Das Ergebnis wurde von der Presse als Überraschung taxiert und oft als Achtungserfolg gewürdigt. Weitgehend einig waren sich die Kommentatoren und Politiker über die Notwendigkeit von Armeereformen. Umstrittener waren die Folgen der Abstimmung. Das Tabu um die Armee sei gebrochen worden, so der Tenor gewisser KommentatorInnen. Andere sahen einen Zusammenhang zwischen der Abstimmung und den später gesunkenen Armeeausgaben, den verkleinerten Truppenbeständen und der Einführung des Zivildienstes. Das Resultat bekräftigte die GSoA, auch weiterhin politisch engagiert zu bleiben. Im Ausland, wo sich gleichgesinnte Gruppierungen gebildet hatten, stiess das Resultat ebenfalls auf Anerkennung.

Zugang zur Arbeit

Bibliothek

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