Die 68er an der Universität Bern. Die Professorenschaft und ihre Herausforderungen während den studentischen Unruhen von 1968-1975

AutorIn Name
Melanie
Spori
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christian
Gerlach
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2010/2011
Abstract
Die Universität Bern wurde von 1968 bis 1975, wie viele Universitäten im Ausland und in der Schweiz, von der 68er Studentenbewegung erfasst. In diesem Zeitraum wurden die Berner Universitätsleitung und Professoren mit unterschiedlichen Forderungen und Aktionen der linken Studentenschaft konfrontiert, die grundsätzlich das Ziel verfolgte, die hierarchischen Strukturen der Universität zu demokratisieren und den zeitgenössischen Bedürfnissen anzupassen. Mitsprache und Mitbestimmung der Studierenden in den verschiedenen Universitätsgremien standen im Zentrum der Studentenpolitik. Neben hochschulpolitischen Anliegen engagierte sich die aktive Studentenschaft für weltpolitische Themen, welche die Universität und ihren Lehrkörper ebenfalls nicht unberührt liessen. Nicht nur linke Studierende strebten eine Modernisierung der Berner Universität an, sondern auch reformfreundliche Dozierende sahen in dieser Hinsicht grossen Handlungsbedarf. Bern begann als erste Universität in der Schweiz, Reformpläne in Form eines neuen Universitätsgesetzes auszuarbeiten. Die Professorenschaft der Universität Bern befand sich in den Jahren 1968 bis 1975 in einer ambivalenten Situation. Einerseits brachte sie hinsichtlich der studentischen Bedürfnisse Verständnis und Kooperationsbereitschaft auf, andererseits versuchte sie, in diesen unruhigen Jahren ein gewisses Mass an Stabilität und Ordnung im universitären Betrieb zu gewährleisten und eine bewahrende sowie kontrollierende Haltung einzunehmen. Bevor das Rektorat und die Professoren ihre gemeinsam beschlossenen Massnahmen nach aussen kommunizierten, setzten sie sich zunächst intern mit den entsprechenden studentischen Forderungen und Aktionen auseinander. Diese Diskussionen wurden umfassend in universitären Akten und Protokollen festgehalten, sind aber bislang in den wissenschaftlichen Darstellungen zur Berner Studentenbewegung kaum berücksichtigt worden. Da die Forschungsliteratur über die 68er an den Universitäten mehrheitlich die politisch aktiven Studierenden und ihre Anliegen ins Zentrum der Analyse stellt, werden Universitätsleitung und Professorenschaft tendenziell als einheitlicher, konservativer Gegenspieler zur Studentenschaft präsentiert. Folglich fehlt eine differenzierte wissenschaftliche Untersuchung der Diskussionen unter den Dozierenden, welche die individuellen Meinungen und Haltungen zur Sprache bringt. Diese Arbeit schliesst die Lücke zumindest in Bezug auf die Geschehnisse an der Universität Bern und beleuchtet den Prozess der Meinungsbildung unter den Professoren und dem Rektorat vor dem Hintergrund der studentischen Aktivitäten von 1968 bis 1975. Die Unruhen an der Universität beschränkten sich nicht nur auf den Konflikt zwischen Professorenund Studentenschaft, sondern erstreckten sich auch auf interne Streitigkeiten innerhalb des Lehrkörpers. Die Dozierenden vertraten keine einheitliche Meinung hinsichtlich der studentischen Aktionen und Forderungen und forderten deshalb auch unterschiedliche Massnahmen. Die Heterogenität der Meinungen unter den Dozierenden kam besonders stark zum Ausdruck, als sich in den frühen 70er Jahren die linke Studentenschaft in ihren Aktionen radikalisierte. Aufgrund der starken Meinungsdifferenzen stellte die Konfliktbewältigung und Konsensfindung innerhalb der Professorenschaft zu jener Zeit eine grosse Herausforderung dar. Dies legt nahe, dass es für die Professorenschaft und das Rektorat nicht möglich war, einen konsequenten harten Kurs gegen die linken Studierenden einzuschlagen, da sich die unterschiedlichen Meinungen gegenseitig abschwächten und ein kompromissartiges und folglich milderes Vorgehen erforderlich machten. Denn grundsätzlich stand stets der universitätsinterne Frieden im Vordergrund. Dies war sicherlich einer der Gründe, weshalb die 68er Unruhen an der Universität Bern relativ gemässigt vonstatten gingen. Die Arbeit zeigt auf, dass die Untersuchung der Meinungsdifferenzen innerhalb des universitären Lehrkörpers und der daraus folgenden Diskussionen und Handlungen für ein umfassendes Verständnis der 68er Jahre unerlässlich ist und stellt somit, nebst der Arbeit von Sarah Minguet über die Universität Lausanne, einen weiteren Schritt in der Erforschung der Rolle des Establishments in der Schweiz während der 68er Jahre dar. Weiterführend wäre es deshalb von grossem Interesse, die in der Arbeit beschriebenen Erkenntnisse mit den Umständen an anderen Universitäten in der Schweiz zu vergleichen. Ein solcher Vergleich würde die Frage klären, inwiefern die ausgeprägte Heterogenität der Meinungen an der Universität Bern einen Einzelfall darstellt oder ob sich die hier gewonnen Einsichten verallgemeinern lassen.

Zugang zur Arbeit

Bibliothek

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