Deutsche und italienische Besatzung im Unabhängigen Staat Kroatien 1941-45

AutorIn Name
Sanela
Schmid Hodzic
Art der Arbeit
Dissertation
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Marina
Cattaruzza
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2011/2012
Abstract
Im April 1941 wurde Jugoslawien von den Achsenmächten Italien und Deutschland angegriffen, besiegt und anschließend in Interessensphären aufgeteilt. Dabei wurde der „Unabhängige Staat Kroatien“ (NDH), bestehend aus Kroatien und Bosnien-Herzegowina, gegründet, an dessen Spitze die faschistische Partei der Ustascha stand. Der NDH blieb von deutschen und italienischen Truppen besetzt, wobei eine von Nordwesten nach Südosten verlaufende Demarkationslinie das deutsche vom italienischen Gebiet trennte. Nach der italienischen Kapitulation am 8. September 1943 wurde auch das italienische Gebiet von deutschen Truppen erobert, und der NDH blieb bis 1944/1945 von Deutschland besetzt. Beide Besatzungsmächte wurden im NDH mit denselben politischen, wirtschaftlichen und militärischen Besatzungsproblemen konfrontiert, die so geballt selten an Kriegsschauplätzen des Zweiten Weltkrieges auftraten. Trotzdem unterschieden sich ihre Besatzungspraktiken deutlich voneinander. Um die Besatzung zu untersuchen wurde ein vergleichender Ansatz gewählt. Im NDH zeigten sich beispielhaft die Auswirkungen der unterschiedlichen Vorstellungen, die im Dritten Reich und Italien über die künftige Ordnung Europas herrschten. In den nationalsozialistischen Lebensraumvorstellungen war dem europäischen Südosten die Rolle des wirtschaftlichen Ergänzungsraumes zugedacht. So sollte der NDH in erster Linie deutsche Wirtschaftsinteressen befriedigen. Eine Einmischung in die Innenpolitik wurde hingegen nicht angestrebt. Allerdings standen die „Volksdeutschen“, die im NDH ansässig waren, unter einer besonderen Gesetzgebung. Italien verfolgte im Zweiten Weltkrieg ebenfalls eine Lebensraumpolitik (spazio vitale), die sich jedoch deutlich von dem deutschen Pendant unterschied. Die Faschisten verbanden die Idee der Expansion mit der Idee einer Zivilisierungsmission. Die Länder des Mittelmeerraumes sollten einen italienischen Lebensraum bilden, wobei sie in unterschiedlicher Ausprägung von Rom abhängig sein würden. Bevölkerungen der annektierten Gebiete (Slowenien, Dalmatien u.a.m.) sollten assimiliert werden. Diese Divergenzen in der grundsätzlichen Zielsetzung hatten starke Auswirkungen auf die im NDH verfolgte Politik. Das Dritte Reich setzte auf politische Einflussnahme durch wenige reichsdeutsche Berater und durch die deutsche Minderheit sowie auf seine ökonomische Stärke, um die kroatische Wirtschaft zu kontrollieren. Es mischte sich kaum in die Innenpolitik des NDH ein und stationierte auch wenige deutsche Truppen vor Ort. Das faschistische Italien war politisch und militärisch zu schwach, um mit ähnlichen Mitteln Einfluss zu nehmen. Es musste außerdem aufgrund seiner Ziele eine klassische Besatzungspolitik betreiben. Italien versuchte sich die politische Einflussnahme sowie die Ausbeutung durch die Kontrolle über größtmögliche Gebiete zu sichern. Dies äußerte sich in der Stationierung zahlreicher militärischer Kräfte sowie den deutlich kürzeren Befehlswegen im Gegensatz zur deutschen Organisation. Die deutschen und die italienischen Interessen im NDH wurden ab dem Herbst 1941 immer stärker durch die Gefahren, die von den Aufständischen ausgingen, bestimmt. Es handelte sich dabei um zwei untereinander um die Vorherrschaft kämpfende Bewegungen: die serbisch-nationalistischen Tschetniks und die kommunistischen Partisanen. Während sich die rein militärischen Mittel der Aufständischenbekämpfung bei beiden Armeen kaum unterschieden, – sie ließen sich nicht von internationalen Konventionen bezüglich der Besatzung und des Umgangs mit der Bevölkerung einschränken, was zu zahlreichen Kriegsverbrechen führte – unterschied sich die grundsätzliche Herangehensweise deutlich voneinander. Die Deutschen setzten auf ein rein militärisches Vorgehen: Alle Aufständischen (Partisanen und Tschetniks) sollten mit Hilfe der kroatischen Armee und der Ustascha vernichten werden. Die italienische Armee verknüpfte hingegen bei der Aufständischenbekämpfung politisches Taktieren und militärische Methoden. Sie schloss die Ustascha aus und ging ein Bündnis mit den Tschetniks ein, um zunächst einmal die Partisanen zu vernichten. Die Deutschen maßen der Bevölkerung keine Bedeutung bei. Die Wehrmacht hielt sich, wie schon bemerkt, aus politischen und militärischen Gründen aus der Innenpolitik des NDH heraus. Indem sie diese jedoch den Ustascha überließ, bezog sie dadurch eine Pro-Ustascha Position. Die einzige Aktion, die aktives Werben bei der Bevölkerung einbezog, war bezeichnenderweise militärischer Natur und fand bei der Aufstellung der kroatischen SS Division („Handschar“) statt. Erst nach der italienischen Kapitulation lassen sich von deutscher Seite Versuche einer eigenständigen Politik gegenüber der Bevölkerung im NDH nachweisen, die jedoch keine Auswirkung mehr auf ihr Verhalten hatten. Die deutsche Propaganda konzentrierte sich zudem sehr stark auf die Überläuferpropaganda – blieb also auch hier im Militärischen gefangen. Für die italienische Armee war hingegen eine aktive Politik gegenüber der Bevölkerung ein wesentlicher Grundsatz ihrer Besatzungspraxis. Sie nutzten sie, sowohl um sich von den Ustascha, mit welchen sie um die Macht konkurrierten, abzugrenzen, als auch um ihr Ziel von einem italienischen Lebensraum im Mittelmeer zu erreichen. Dies führte zu einem politischen Kurs, der auf der propagierten Gleichbehandlung aller Bevölkerungsgruppen aufbaute. Diese Politik wirkte sich besonders positiv auf die im NDH verfolgte serbische und jüdische Bevölkerung aus, die im italienischen Gebiet Zuflucht vor Verfolgungen finden konnte. Darüber hinaus spielte die Versorgung der notleidenden Bevölkerung ebenfalls eine wichtige Rolle, die durch propagandistische Maßnahmen untermauert wurde. Die deutsche Besatzung wies nur für die Volksdeutschen und die schwindende Anzahl der Ustascha-Anhänger positive Merkmale auf, für die Masse der Bevölkerung hatte sie nur negative Konsequenzen. Die italienische Politik zeichnete sich durch ihre Janusköpfigkeit aus: Einerseits versuchten die Italiener, eine Politik zu betreiben, die den Slawen unter ihrer Herrschaft das faschistische Italien als die bessere Wahl im Vergleich sowohl zum NDH als auch zu einem kommunistischen Staat der Südslawen darstellen sollte. Andererseits wurden gleichzeitig in der Partisanenbekämpfung diese Ziele torpediert, indem die italienische Armee sich derselben Partisanenbekämpfungsmethoden wie ihr deutscher Bundesgenosse bediente, und die auf Kosten jener Bevölkerung gingen, die sie eigentlich für sich gewinnen wollte. Die politischen Ziele, die das Dritte Reich und Italien im NDH verfolgten, diktierten die Besatzungspolitik. Sie ziehen sich wie ein roter Faden durch ihre wirtschaftliche, politische, militärische und propagandistische Tätigkeit. Dabei werden zwangsläufig bei aller Ähnlichkeit, die beide Besatzungen aufwiesen, bestimmte Unterschiede deutlich. Diese sorgten auch immer wieder für Konflikte zwischen den beiden Achsenpartnern. Angefangen bei der Wahrung italienischer Vorrechte auf den NDH, über militärische Probleme und unterschiedliche (militärische) Kollaborationen bis hin zu wirtschaftlichen Überlegungen, gab es viele Punkte, die für Spannung sorgten. Das Verhältnis zwischen den beiden Achsenpartnern vor Ort war alles andere als herzlich. Doch war letztlich der NDH für die Nationalsozialisten nicht von solcher Bedeutung, dass sie seinetwegen einen Eklat mit ihrem wichtigsten Bundesgenossen riskiert hätten.

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