Assoziationsstörungen. Die Entstehung der Schizophrenie als wissenschaftliche Tatsache und kulturelles Deutungsmuster um 1900.

AutorIn Name
Brigitta
Bernet
Art der Arbeit
Dissertation
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
David
Gugerli
Institution
Neuzeit
Ort
Zürich
Jahr
2009/2010
Abstract
Die Metapher der psychischen „Verfassung“ verweist auf den Einfluss kultureller, speziell politischer Leitbilder auf die Konzeption von psychischer Gesundheit und Krankheit. Um 1900 stellten sich Psychiatrie und Neurologie die Psyche als einen „Gehirnstaat“ vor, der nach den Gesetzen der Assoziation verfasst war. 1908 diagnostizierten sie ihm eine spezifische Störung: Die schizophrene Assoziationsanomalie, kurz Schizophrenie. Die Dissertation befasst sich mit der „Entstehung“ des Krankheitsbildes der Schizophrenie in seiner Doppelfunktion als wissenschaftlicher Tatsache und kulturellem Deutungsmuster und leistet damit einen Beitrag zur Kultur- und Wissenschaftsgeschichte der noch wenig erforschten Psychiatrie in der Schweiz. Sie fokussiert auf den lokalen Kontext von Zürich und das Denkkollektiv der „Zürcher Schule“ in der Zeit zwischen 1890 und 1920. Dabei setzt sie mit der Erfindung des Begriffs „Schizophrenie“ ein, die auf den Schweizer Psychiater Eugen Bleuler zurückgeht. In einem ersten Schritt werden Denkstil und Krankheitslehre der Zürcher Schule rekonstruiert sowie Rezeption und Diskussion der Schizophrenielehre im wissenschaftlichen Diskurs behandelt. Ein besonderes Gewicht liegt auf der Analyse der Geschlechtercodes, die sich z.B. in Bleulers Charakterisierung der Krankheit als „Uneinheitlichkeit des Fühlens und des Denkens“ ankündigen. Gleichzeitig untersucht die Arbeit auf Grund von Krankengeschichten der psychiatrischen Universitätsklinik „Burghölzli,“ die der historischen Forschung erstmals zugänglich sind, wie die Schizophrenie in konkreten Fällen zur Einzeldiagnose wurde und wen sie mit welchen Folgen traf. Ausgehend von den Erkenntnissen der neueren Wissenschaftsgeschichte, dass Medizin und Psychiatrie gesellschaftliche Bereiche darstellen, wird in einem zweiten Schritt die Bedeutung des zentralen Begriffs der Schizophrenie, der Assoziation, nicht nur über das medizinische, sondern auch über das politische Feld rekonstruiert. Dies liegt nahe, war die Assoziation im 19. Jh. doch ein Leitbegriff politischer Bürgerlichkeit. Parallel zur Verfassung des Individuums, so meine These, wurde um 1900 die Verfassung der Gesellschaft verhandelt; Zeit- und Individualdiagnose griffen ineinander und konstituierten sich wechselseitig. Die Dissertation ist historisch angelegt, arbeitet aber interdisziplinär.

Zugang zur Arbeit

Bibliothek

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