Óscar Arnulfo Romero. Nachleben in Politik, Kirche und Musikkultur El Salvadors

AutorIn Name
Stefano
Bellotti
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Arndt
Brendecke
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2009/2010
Abstract


Óscar Arnulfo Romero wurde vor dreissig Jahren am Altar ermordet, doch heute würde niemand behaupten, dass Romero tatsächlich gestorben ist. Selbst die Mörder zweifeln daran. Überall hört man seine Stimme und überall muss man sich Romeros Vermächtnis stellen. Der ermordete Erzbischof ist nach dreissig Jahren — gewollt oder ungewollt — aus seiner pastoralen Rolle herausgewachsen und zu einem Symbol geworden: ein Symbol für Gerechtigkeit, Gewaltlosigkeit, Mut und Liebe.

In der Studie wird den Motiven dieser Ermordung nachgegangen und dabei vor allem auf zwei Aspekte fokussiert: die Anprangerung der sozialen Ungleichheit und die zunehmende internationale Bedeutung Romeros, die den konservativen Kräf-ten in El Salvador ein Dorn im Auge war. Die Ermordung wird in der Arbeit jedoch nicht nur als historisches Ereignis dargestellt, sondern es wird auch auf dessen Wirkung und Bedeutung einge-gangen. Im zweiten Teil der Studie wird in diesem Zusammenhang der Gedanke des Martyriums behandelt.

Nebst einer detaillierten Quellenkritik an den Homilien des ehemaligen Erzbischofs von San Salvador, beschäftigt sich die Masterarbeit im dritten Teil mit dem Nachleben Romeros. Die wichtigsten Fragen, denen die Arbeit diesbezüglich nachgeht, betreffen die ‚Authentizität‘ des im Jahr 2010 weitgehend glorifizierten Erzbischofs. Inwieweit beruht das heutige Bild Romeros auf dem lebendigen Óscar Arnulfo Romero? Wie hat sich diese Projektion über die Zeit gewandelt und welche Personen und Institutionen haben daran gearbeitet? Mit welchen Hintergedanken und Vorstellungen wurde Óscar Romero am Leben erhalten und wen soll er bis heute ansprechen? Wie viel des lebenden des authentischen Romero findet sich noch im heutigen Romero-Bild, das auf T-Shirts, Statuen und Gemälden verewigt wird?

Die Studie versucht in drei unterschiedlichen Sphären (Politik, Kirche und Musik) die Aufarbeitung und Deutung Romeros darzulegen. Im Teil zur Politik wird der Fokus auf die seit März 2009 an der Macht stehende FMLN und auf die rhetorischen und inszenierten Gedenkveranstaltungen zum 30. Todestag des Erzbischofs gelenkt. Der Unterschied zwischen einer aufrichtigen Ehrerbietung und einem opportunistischen Kalkül ist hauchdünn: Während Präsident Funes einerseits den ermordeten Bischof zu seinem „geistlichen Führer“ ernannt hat und sich intensiv mit der ‚Option für die Armen‘ beschäftigt, wird Romero anderseits als Aushängeschild für ein aufstrebendes und erneuertes El Salvador benutzt. Die Einweihung eines Gemäldes zu Ehren des ermordeten Erzbischofs am Flughafen von San Salvador veranschaulicht diese Absicht.

Zur Kirche wird auf das seit 1996 laufende Kanonisierungsverfahren eingegangen und die Beweggründe der Ortskirchewerten den strategischen Überlegungen des Vatikans gegenübergestellt. Es ist offensichtlich, dass eine Seligsprechung politische Implikationen haben würde und es wird deutlich, weshalb ein erfolgreicher Abschluss des Verfahrens noch nicht in Sicht ist. Das grösste Hindernis beruht dabei auf einer Unstimmigkeit zwischen dem Romero-Bild des Vatikans und der Wahrnehmung der salvadorianischen Bevölkerung. In diesem Teil der Arbeit wird auch auf die wichtige Reise des Papstes im Jahre 1983 in Zentralamerika eingegangen, als inmitten des Bürgerkriegs und wider den Wunsch der Regierung Romero rehabilitiert wurde.

Die Untersuchung zu Romeros Präsenz in der Musikkultur El Salvadors zwischen 1980 und 2010 soll stellvertretend für das Nachleben des Erzbischofs bei der einfachen Bevölkerung stehen. Die Studie zeigt, wie in den untersuchten Liedern zwei Romero-Bilder konkurrenzieren: ein ideologisierter und ein religiöser Bischof. Trotz naheliegender Unterschiede gibt es vielsagende Gemeinsamkeiten: So wird beispielsweise Romero beidseitig als Hoffnungsträger und Mensch der Gerechtigkeit gepriesen.

Sei es als Symbol der Hoffnung, als Mann der Kirche oder als politische Leitfigur: Der lebendige Romero rückt zweifellos in die Ferne.
Die Gegenüberstellung des ersten und letzten Teils der Studie belegt dies. Der fortlaufende Versuch, Romero zu aktualisieren und den sich wandelnden Bedürfnissen einer Gesellschaft anzupassen, belegt jedoch die Wichtigkeit dieser Figur und zeugt von einem umfassenden Rehabilitationsversuch. Gleichzeitig kommt aber durch diese ‚Sehnsucht nach Romero‘ eine gewisse Orientierungslosigkeit zum Ausdruck.

Óscar Arnulfo Romero, der Erzbischof von San Salvador, ist gestorben, aber Óscar Romero, politischer Heiliger und Märtyrer El Salvadors, lebt weiter. Und die Aufarbeitung dieser Figur ist noch in den Anfängen begriffen.

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