Tipo di ricerca
Tesi di master
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Kristina
Schulz
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2017/2018
Abstract
In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ist in Westeuropa ein Aufschwung des Auslandtourismus festzustellen. Hatte Deutschland bereits in der Zeit der Weimarer Republik ein beliebtes Reiseziel dargestellt, so übte es, nicht zuletzt aufgrund der politischen Entwicklungen, in den ersten Jahren des Nationalsozialismus und auch noch in den Kriegsjahren eine große Anziehungskraft auf politisch interessierte und aufmerksame Beobachter aus. Davon zeugt die Zunahme von Publikationen, die der Gattung der Reiseliteratur zugeordnet werden können.
Die Masterarbeit befasst sich mit deutschsprachigen Reiseberichten von Schweizer Reisenden in der Zeit von 1933 bis 1949. Aus der großen Anzahl veröffentlichter zeitgenössischer Berichte und Interpretationen von Augenzeugenberichten werden hier monographische Arbeiten berücksichtigt, da sie den Beobachtungen mehr Raum einräumen alsZeitungs-oderZeitschriftenartikel und darum für eine Analyse besonders ergiebig sind. Zusätzliche Kriterien für die Zusammenstellung des Quellenkorpus waren die schweizerische Herkunft der jeweiligen Verfasserin bzw. des jeweiligen Verfassers und die Drucklegung bei einem Schweizer Verlagshaus. Diese Kriterien erfüllten Reiseberichte von elf Verfassern, die die Grundlage der empirischen Untersuchung bilden.
Der Quellengattung der Reiseberichte liegt eine grundlegende Doppelfunktion inne. Diese ist darin zu erkennen, dass die Augenzeugenberichte im gleichen Masse Auskünfte über die Ausgangskultur der Reisenden sowie über die Kultur der bereisten Regionen geben können. Die Region der Vertrautheit wird folglich durch die Abgrenzung vom Fremden bestimmt. Dieser Zusammenhang ist auch in der theoretischen Beschreibung und Diskursanalyse der verschiedenen Nationalismen von Bedeutung. Die Imagination von Andersartigkeit und Fremdheit wird als eine Grundvoraussetzung für die eigene imaginierte Gemeinschaft vorausgesetzt. Es stellt sich demnach die Frage, welche Aspekte des nationalsozialistischen Herrschaftssystems von den Reisenden wahrgenommen wurden, wie sie diese bewerteten und inwiefern aus diesen ein Erklärungsmuster für die Entstehung und das Bestehen des Nationalsozialismus abgeleitet wurde. Des Weiteren ist aber auch von Interesse, wie die Nation Schweiz in Abgrenzung zur vorgestellten Andersartigkeit Deutschlands in den Reiseberichten imaginiert wird.
Die Gruppe der Reisenden ist in beruflicher, sozialer und politischer Hinsicht sehr heterogen. Auch unterscheiden sich die Reisemotive sowie die Gründe für die Publikation eines Reiseberichts. Es kann aber festgehalten werden, dass die Mehrheit der Augenzeugen ihre Berichte dazu nutzte, sich selbst zu rechtfertigen oder zu rehabilitieren. Durch die Darstellung des Nationalsozialismus in den Berichten wird eine Distanz zwischen der nationalsozialistischen Ideologie und der eigenen Person bzw. der Schweiz geschaffen. Daran, dass die Autoren keine Kritik an der Schweizer Politik anbringen und sich zu brisanten Themen nur vorsichtig äussern, lässt sich erkennen, wie stark der integrative Moment der Berichte in den Vordergrund gesetzt wurde. Die Autoren grenzen die Schweiz mit den positiv bewerteten Eigenschaften, wie Demokratie, Freiheit, Föderalismus und Frieden,von den negativen Zuordnungen, wie Diktatur, Fremdherrschaft und Krieg, ab und leisten damit einen Beitrag für die nationalen Abgrenzung- sund Integrationsbemühungen wie sie auch von der „Geistigen Landesverteidigung“ gefordert wurden.
Publikation:
Ein Aufsatz zum vorliegenden Thema erschien in: Michel Grunewald / Olivier Dard / Uwe Puschner (Hgg.), Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus im deutschund französischsprachigen Europa (1919 – 1949). Band 1: Allgemeine historische und methodische Grundlage, Brüssel 2017, S. 261–274.