Sicherheit durch Überwachung? Schweizerische Telefonüberwachung im Zweiten Weltkrieg

AutorIn Name
Michael
Bellwald
Academic writing genre
Master thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Julia
Richers
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2020/2021
Abstract
Eine historische Perspektive innerhalb des breiten Forschungsfelds zur Überwachung und zur Funktionsweise von Überwachung ist relativ spärlich entwickelt. Das erstaunt, zumal doch gerade in Zeiten der Digitalisierung die Überwachungsdebatte omnipräsent ist. Heute wird Überwachung oft als ein neues Phänomen thematisiert und als Teil der digital revolution betrachtet. Formen der elektronischen Überwachung existierten jedoch bereits schon früher. Als theoretische Grundlagen der Arbeit werden hierfür die Erkenntnisse der Surveillance und Security Studies sowie Michel Foucaults Schriften hinzugezogen. Foucault gilt als wichtiger Überwachungstheoretiker und sein Denken und Wirken beeinflusste stark die späteren Surveillance Studies. Die Arbeit zeigt auf, wie und warum die Schweiz die nationale und transnationale Telefonkommunikation während des Zweiten Weltkriegs überwachte und wie sich diese Überwachung im innen- und aussenpolitischen Spannungsfeld im Verlauf des Weltkriegs verändert hatte. Die deutsche und japanische Kapitulationen 1945 beendeten den militärischen Konflikt. Ein solches abruptes Ende gab es hingegen bei der Telefonüberwachung nicht. Aus diesem Grunde gilt für den Untersuchungszeitraum der Arbeit nicht die «übliche» Zäsur von 1939 bis 1945, sondern der Zeitraum musste um ein Jahr erweitert werden. Somit ist es einerseits möglich aufzuzeigen, wie die Überwachung schrittweise zurückgefahren wurde, anderseits kann verdeutlicht werden, was für Lehren daraus gezogen worden sind. Die Thematik der Presse- und Buchzensur ist in der Schweizer Historiografie bereits gut erforscht worden. Mit deren Überwachung war jeweils die Abteilung Presse und Funkspruch (APF) betraut. Die APF war in verschiedene Sektionen unterteilt, welche die unterschiedlichsten Kommunikationsmittel wie Zeitung, Buch, Radio, Telegramm, Telefon, Post, Radio, Schallplatten, Film und Foto überwachten. Diesbezüglich gibt es eine breite Forschungsgrundlage zur Rolle des Schweizer Nachrichtendienstes während des Zweiten Weltkriegs. Im Fokus der Masterarbeit steht die eigenständige Sektion TT (Telefon und Telegraf), die bislang weit weniger in das Zentrum der historischen Forschung gerückt worden ist. Da die Telefonüberwachung bis anhin kaum erforscht wurde, stützt sich die Arbeit hauptsächlich auf die Quellenbestände im Schweizerischen Bundesarchiv. Hier ist festzuhalten, dass eine breite und umfassende Quellenlage vorhanden ist. Um die innere und äussere Sicherheit und die Aufrechterhaltung der Neutralität gewährleisten zu können, beauftragte der schweizerische Bundesrat im September 1939 die Armee mit der Überwachung der verschiedensten Kommunikationskanäle. Für die Telefonüberwachung war die erwähnte Sektion TT zuständig, die jedoch vor grossen Herausforderungen stand. So verfügte die Sektion TT weder über ausreichend Know-how noch über die dafür notwendige Infrastruktur. Deswegen entstand ein enger Austausch zwischen der Sektion TT und der schweizerischen Post, der PTT. Denn die PTT verfügte über weitreichende Erfahrung in der Telefonüberwachung. Technisch gesehen war eine vollständige Überwachung aller geführten Telefonate in der Schweiz nicht möglich. Deswegen fokussierte die Sektion TT auf zwei Schwerpunkte: Einerseits galt es, den inter- und transnationalen Telefonverkehr zu überwachen, anderseits wurden auf Verlangen von berechtigten Dienststellen bestimmte Einzelpersonen bzw. deren Anschlüsse überwacht. Dabei verschoben sich im Verlaufe des Kriegs die inhaltlichen Prioritäten. Waren zu Beginn innenund aussenpolitische Aspekte wichtig, gewannen wirtschaftliche Aspekte während des Kriegs zunehmend an Bedeutung. Grundsätzlich wurde in der Schweiz der internationale Telefonverkehr ab September 1939 stark eingeschränkt. Es waren lediglich die vier Landessprachen und Englisch zugelassen. Die Analyse zeigt aber, dass die normativen Weisungen nicht konsequent umgesetzt wurden. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage gewährte die Sektion TT, nach Absprache mit der PTT, verschiedene Ausnahmen in der Sprachenzulassung. Allerdings war mit jeder Lockerung ein potenzielles Risiko verbunden. Denn die restriktive Handhabung war ursprünglich ergriffen worden, um die Sicherheit zu gewährleisten. Wurde aber in Sprachen telefoniert, die das Personal der Sektion TT nicht verstand, konnte auch nicht kontrolliert werden, was für Gesprächsinhalte ausgetauscht wurden.

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