Academic writing genre
Master thesis
Status
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Stefan
Rebenich
Institution
Historisches Institut
Place
Bern
Year
2016/2017
Abstract
In dieser Arbeit wird die Demographie der Stadt Rom zur Regierungszeit des Augustus (31 v. Chr. bis 14 n. Chr.) untersucht. Die Stadt Rom war von zentraler Bedeutung für die wirtschaftliche, kulturelle, soziale und demographische Entwicklung des gesamten römischen Reiches. Parallel zur Ausdehnung des römischen Imperiums entwickelte sich die Stadt Rom von einer kleinen Stadt am Tiber zur Kapitale des gesamten Mittelmeerraumes.
Ihre Bevölkerung, so der traditionelle Forschungskonsens, wuchs dabei in den letzten zwei Jahrhunderten vor der Zeitenwende von einigen hunderttausend Personen auf eine knappe Million Menschen an. Diese beeindruckende Bevölkerungsgrösse widerspiegelt jedoch in erster Linie
den Versuch, die wenigen und unpräzisen Quellenstellen bezüglich der stadtrömischen Bevölkerung durch eine grandiose Zahl wettzumachen.
Ausgehend von einer kritischen Analyse der Demographie Italiens zwischen 225 und 28 v. Chr. werden die zentralen demographischen Parameter der Stadt Rom, verstanden als die von der Aurelianischen Mauer eingeschlossenen 13.68km2, untersucht. Dies sind insbesondere die Zensusangaben aus der römischen Provinz Ägypten, neue Erkenntnisse bezüglich der italienischen Binnenmigration sowie die Überlieferung zu den Empfängerinnen und Empfängern des gratis abgegebenen staatlichen Getreides. Dabei wird deutlich, dass eine Vielzahl von insbesondere älteren Forschungspositionen mittlerweile überholt ist, und die Bevölkerung der Stadt Rom aller Wahrscheinlichkeit nach kleiner war, als dies insbesondere Beloch und Brunt annahmen.
Für die Arbeit von grundlegender Bedeutung ist die demographische Gleichung . Mit dieser Gleichung wird ausgedrückt, dass die Bevölkerung eines definierten geographischen Gebietes, in diesem Fall der Stadt Rom, sich zum Zeitpunkt t wie folgt berechnet: Sie ist die Summe der Bevölkerung zum Zeitpunkt t-1 plus den demographischen Veränderungen der Zwischenzeit: Geburten und Todesfälle zwischen t-1 und t, sowie die Nettomigration, d.h. die Summe der Immigration abzüglich der Emigration.
Während die ältere Forschung die Überlieferung bei Appian und Plutarch als grundsätzlich glaubwürdig einstufte, kommen jüngere Untersuchungen zum Schluss, dass Italien nicht von Olivenund Weinplantagen mit Millionen von Sklavinnen und Sklaven überzogen war. Insbesondere durch archäologische, aber auch wirtschaftshistorische Analysen konnte schlüssig gezeigt werden, dass eine Verdrängung der freien Bäuerinnen und Bauern durch Grossgrundbesitz und ein Rückgang der gesamtitalienischen Bevölkerung zur Zeit der späten Republik nicht stattgefunden hatte.
Nichtsdestotrotz war Migration ein alltägliches Faktum der römischen Gesellschaft. Insbesondere die Migration in urbane Zentren, allen voran in die Stadt Rom, setzte sich zur Mehrheit aus jungen Männern zusammen. Sowohl bioarchäologische als auch epigraphische und wirtschaftshistorische Untersuchen weisen übereinstimmend auf ein ungleiches Geschlechterverhältnis owohl bei den Migrantinnen und Migranten als auch bei der urbanen Bevölkerung hin.
Auch Zensusangaben aus Ägypten lassen darauf schliessen, dass die urbane Bevölkerung überdurchschnittlich jung und männlich gewesen war; Frauen machten wohl leidglich rund 35% der freien Bevölkerung aus. Der Anteil Sklavinnen und Sklaven an der Gesamtbevölkerung erscheint jedoch tiefer gewesen zu sein, als bisher angenommen: Die Angaben aus Ägypten deuten auf 11- 14% hin, und nicht auf die traditionell angenommenen 33%.
Bezüglich der Bevölkerungsgrösse der Stadt Rom sind die besten überlieferten Zahlen die Angaben von Augustus bezüglich der Empfängerinnen und Empfänger staatlichen Getreides. Es waren dies gut 200’000 freie männliche Bürger, inklusive Freigelassene, aber exklusive Sklavinnen und Sklaven. Frauen waren in Einzelfällen berechtigt, staatliches Getreide zu beziehen; dies stellte jedoch eine Ausnahme dar.
Auf Basis dieser 200’000 Römer lassen sich unter Berücksichtigung der demographischen Erkenntnisse aus Ägypten und Italien die Anzahl Frauen, Kinder sowie Sklavinnen und Sklaven hochrechnen. Nach Berücksichtigung der Angehörigen der Elite sowie der freien Nichtrömer ergibt dies eine Bevölkerungsgrösse der Stadt Rom von rund 550’000 Personen, plus/minus 50’000. Damit ist die Bevölkerung der Stadt Rom sehr viel weniger zahlreich, als bisher angenommen.
Dies ist insofern von weiterführender Bedeutung, als auf der Grundlage dieses Befundes künftig sowohl die Lebensumstände der stadtrömischen Bevölkerung als auch ihre sozioökonomische Situation besser analysiert werden können als bisher. Auch fügt sich die Stadt Rom damit besser in die jüngeren Erkenntnisse zur italienischen Wirtschaft und Gesellschaft ein. Zudem war die demographische Belastung für Italien kleiner, genau wie die innerrömische Konkurrenz um Arbeit und Wohnraum.