CfP: Gewalt am Ende des 20. Jahrhunderts. Konzepte, Wahrnehmungen, Praktiken

1. Mai 2019
Call for papers

In den 1970er Jahren begannen die westlichen Industriegesellschaften in neuer Weise über sich nachzudenken. Unter dem Schlagwort „Postmoderne“ hat diese Wende bereits einige Aufmerksamkeit in der Geschichtswissenschaft gefunden. Kaum beachtet wurde hingegen, dass eben in diesem Moment in den Wissenschaften wie in der Öffentlichkeit auch eine neuartige und breite Beschäftigung mit dem Phänomen Gewalt einsetzte. Dabei wurden zwei Probleme bald ersichtlich, die die Gewaltforschung weiter antrieben: Erstens warf diese Hinwendung zur Gewalt definitorische Probleme auf. Die einsetzenden Bemühungen diverser Disziplinen – darunter der Soziologie, der Medizin, der Rechtswissenschaft, der Kriminologie oder auch der Psychologie – möglichst präzise zu bestimmen, was Gewalt sei, führten vor Augen, dass sich der Gewalt-Begriff klaren Zuschreibungen entzog und sich in ganz unterschiedlicher Weise konzeptualisieren ließ und lässt. Zweitens stand hinter dem neuen Interesse an der Gewalt stets die Frage nach der Gegenwärtigkeit dieses Phänomens, die insbesondere als Frage nach dem Verhältnis von „Moderne und Gewalt“ debattiert wurde.
Gerade die Geschichtswissenschaft hat sich an dieser Debatte intensiv beteiligt, sich dabei aber nahezu ausschließlich auf Kriege, Genozide und Kolonialgewalt konzentriert. Dies hat den Effekt, dass Gewalt vor allem für die Zeit vor 1945 untersucht wurde, während für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit Ausnahme des Terrorismus, Gewaltphänomene bislang weitegehend unbeachtet bleiben. In der zeithistorischen Forschung bleibt damit das Thema Gewalt paradoxer Weise gerade für diese Jahrzehnte am Ende des 20. Jahrhunderts weitegehend im Dunkeln, in denen die Zeitgenossen selbst das Thema Gewalt so intensiv diskutierten wie niemals zuvor. Ebenso fehlen damit weitgehend Studien, die der Geschichte jener Gewaltformen nachgehen, die seit 1970 zunehmend in den Blick gerieten: Formen der Gewalt, die sich im Privaten abspielten; aber auch generell nicht-physische Formen der Gewalt wie psychische oder emotionale Gewalt.

Der Workshop wendet sich gezielt dieser bisher übersehenen Dimension der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts zu. In seinem Mittelpunkt soll einerseits die Frage stellen, wie sich die wissenschaftliche und öffentliche Auseinandersetzung mit Gewalt seit den 1970er Jahren entwickelte. Warum veränderten sich Gewaltkonzepte am Ende des 20. Jahrhunderts? Auf der anderen Seite soll nach den Effekten dieses Wandels gefragt werden: Veränderte sich mit ihnen die Wahrnehmung der menschlichen Verletzlichkeit und warum? War dies die Voraussetzung für die Identifizierung oder sogar Entstehung neuer Formen von Gewalt? Und was sagt die Ausweitung der Gewaltkonzepte über die europäischen Gesellschaften am Ende des 20. Jahrhunderts aus?

Beiträge für den Workshop können ganz unterschiedliche Themenfelder betreffen:
Gewalt gegen Kinder, Frauen, Männer, Tiere und Sachen; das Verhältnis von Gewalt und Sprache, Gewalt und Wissenschaft oder Gewalt und Medien; den Zusammenhang von Gewalt, Körper und Psyche.

Wir bitten um Einsendungen von ein- bis zweiseitigen Vorschlägen bis zum 1. Mai 2019. Um eine intensive Diskussion zu ermöglichen wird der Workshop etwa zehnseitige Paper diskutieren, die im Vorfeld an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer verteilt werden. Vorträge sind nicht vorgesehen. Kosten für Anreise und Übernachtung werden übernommen.

Organisiert von
Universität Zürich, Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte

Veranstaltungsort

Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
Rämistrasse 64
8001 
Zürich

Kontakt

Julia Stieglmeier

Zusätzliche Informationen

Kosten

CHF 0.00

Anmeldung